Anhang.
Kulturgeschichtliche Grundbegriffe.
I. Kultur und Kulturvölker.
Das Wort Geschichte ist abgeleitet von „geschehen". Also wäre Geschichte
alles, was geschieht. Da aber die Summe dessen, was geschieht, unermeßlich
groß, auch nicht alles, was sich ereignet, gleich bedeutend ist, faßt man den Be-
griff „Geschichte" enger und versteht darunter nur solche Ereignisse, welche wichtig
genug sind, im Gedächtnis der Menschheit festgehalten und der Nachwelt über-
liefert zu werden. Derartige Ereignisse sind uns in der Regel nur von sog. Kultur¬
völker überliefert. Unter Kulturvölkern versteht man solche Völker, die zur
Kultur, d. h. zur fortschreitenden Ausbildung und Entwicklung der Menschheit,
wesentlich beitragen. Im allgemeinen unterscheidet man:
1. Jäger- und Fischervölker; sie leben von den Erträgnissen der Jagd und
des Fischfangs. Das Fleisch der Tiere dient ihnen zur Nahrung, das Fell zur
Kleidung. Feste Wohnsitze sind in der Regel unmöglich; denn wenn eine be-
stimmte Gegend ausgebeutet ist, muß eine andere aufgesucht werden. Eine
gewisse Kunstfertigkeit, also Ausbildung, zeigt sich in der Herstellung der Jagd-
geräte; von gezähmten Tieren kommt anfangs nur der zur Jagd oder auch als
Zugtier verwendbare Hund in Betracht.
2. Nomaden- oder Hirtenvölker; sie haben bereits die wichtigsten Tiere
gezähmt (Rind, Pferd, Kamel:c.), haben sie demnach zur Verfügung und sind
nicht mehr auf das Jagdglück und Fangergebnis angewiesen. Fleisch und Milch
der Tiere dienen zur Nahrung, das Fell oder die Wolle in irgend einer Verar-
beitung zur Kleidung. Jagd und Fischfang sind nicht mehr Hauptbeschäftigung,
sondern nur Nebenbeschäftigung. Waffen und Hund benutzt man vor allem
zur Verteidigung gegen feindliche Menschen und Tiere. Feste Wohnsitze sind
noch immer nicht möglich; denn wenn der Pflanzenwuchs einer Gegend abge-
weidet ist, muß wieder eine andere aufgesucht werden. Solche Völker gibt es
heutzutage nur noch wenige, z. B. einzelne Jndianerstämme in Nord- und Süd-
amerika, die Urbevölkemng Australiens, Zentral- und Südafrikas, die Nomaden-
stämme Jnnerafiens u. dgl.
Die erste Voraussetzung für höhere Kultur ist die Seßhaftigkeit. Seßhaft
kann ein Volk nur dann werden, wenn es durch irgend ein Interesse an einem
bestimmten Boden oder Platze festgehalten wird. Dieses Interesse zeigen lediglich
3. ackerbautreibende Völker. Sobald diese die Saat der Erde anvertraut
haben, müssen sie an demselben Ort bleiben, um ernten zu können, wenigstens
eine gewisse längere Zeit. Dadurch werden sie veranlaßt, ihren Wohnsitz be-