Staats, und Rechtswesen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zustände. 65
Von ihnen konnte man Berufung an das königliche Reichshofgericht
einlegen. Letzteres entschied auch über die Rechtssachen der Reichsunmittel-
baren (Fürsten und Reichsstädte).
b) Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zustände.
1. Die gesellschaftlichen Verhältnisse. Mehr und mehr sonderten
sich die Stände, die Waffen führten und Ämter bekleideten, von den
Ständen, die hauptsächlich dem Nahrungserwerb nachgingen. Zu den
ersteren zählten die Fürsten, die freien Herren (Edlen) und die Mini-
sterialen (Dienftmannen), zu den letzteren die Bürger (in den Städten)
und die Bauern (auf dem Lande).
Die Bürger in den Städten galten als persönlich frei; aber der Grund und
Boden, auf dem sie saßen, d. h. auf dem die Stadt entstanden war, gehörte seit
alters dem sog. Stadtherrn, entweder dem König oder einem Fürsten oder einem
Bischof. An diesen Stadtherrn zahlten die Bürger für die Benützung des Grund
und Bodens einen regelmäßigen festen Zins. — Bei den Bauern auf dem Lande
unterschied man Freie, Zinsleute (Hörige) und Leibeigene (Unfreie). Die meisten
Bauern erschienen als Zinsleute, erfreuten sich aber im großen und ganzen
einer günstigen Lage, besonders die Untertanen der geistlichen Herren (Bischöfe,
Äbte); deshalb bildete sich das Sprichwort: „Unter bem Krummstab ist gut
wohnen."
2. Die wirtschaftlichen Verhältnisse. Noch immer war bie Land¬
wirtschaft weitaus die Hauptbeschäftigung; doch gewannen Handel und
Gewerbe allmählich eine größere Bedeutung. Deshalb finden wir jetzt
in den Städten auch die Anfänge einer regelrechten Geldwirtschaft
(Grundbegriffe S. IV).
Der sich entwickelten Gelb Wirtschaft kam auch ber eifrige Bergbau zugute,
ber namentlich feit bem 11. Jahrh. aufblühte. Hand in Hanb mit ihm ging ein
sorgfältiger Salinenbetrieb, b. h. bie Gewinnung von Salz; im 12. Jahrh. zählte
man in Deutschland über 50 Salinen.
c) Geistige Bestrebungen.
Auf den Verfall des geistigen Lebens gegen Ende der Karolingerzeit
(S. 44) folgte unter den Ottonen eine neue Blüte, die sog. ottonische
Renaissance^). Besonders Otto d. Gr. wußte gelehrte Bildung wohl zu
schätzen und begünstigte sie in seiner Familie und am königlichen Hose.
Hier förderten vor allem die beiden Kaiserinnen Adelheid und Theophano,
später Otto II. und Otto III., ferner einheimische und ausländische
Bischöfe, wie Gerbert2) (nachmals Papst Silvester II.) die Wissenschaften
und die Künste. — Vermittelt und gepflegt wurden diese Bestrebungen
*) Renaissance — Wiedergeburt, nämlich der klassischen (griechisch-römischen)
Bildung.
2) Gerbert führte die sog. arabischen Ziffern ein und fertigte einen Himmelsglobus
sowie ein Fernrohr an.
Lorenz, Geschichte für Lehrer« und Lehrerinnenbildungsanstalten II.