Full text: Geschichte der Provinz Sachsen

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48. Die Universität Halle-Wittenberg. 
1. Wittenberg. Bei der Neuordnung der Verhältnisse nach 
den Befreiungskriegen trat an die Regierung die Frage heran, was 
.mit den beiden Universitäten in der neugebildeten Provinz Sachsen, 
mit Wittenberg und Halle, werden sollte. Die alte knrsächsische 
Fridericiana in Wittenberg, einst die glorreichste aller deutschen 
Universitäten, war zwei Jahrhunderte lang nur ein Zerrbild alter 
Größe gewesen; sie, von der einst die Befreiung aus geistiger Knecht- 
schast ausgegangen war, war zur Hochburg eines geistlosen Buchstaben- 
glanbens geworden. Und als endlich gegen Ausgang des 18. Jahr¬ 
hunderts ein freier Geist in den entweihten Hörsaal des Reformators 
einzog, war der Verfall der Hochschule nicht mehr auszuhalten. Die 
Belagerung von 1813 gab der Universität den Todesstoß: die 
Studenten stoben auseinander, die Bibliothek ward geflüchtet, die 
akademischen Gebäude gingen in Flammen auf, und das kleine Häuf- 
-lein der Professoren, das sich nach Schmiedeberg geflüchtet hatte, legte 
L>em sächsischen Hofe selber die Frage vor, ob nicht eine Vereinigung 
mit Leipzig geboten sei. Nun war Wittenberg preußisch geworden. 
Sollte jetzt der König auf dieser Trümmerstätte einen Neubau auf- 
führen, so nahe bei den drei andern sächsischen Universitäten, die 
einander ohnehin schon das Licht vertraten? Nicht ohne dringende 
Notwendigkeit wollte Friedrich Wilhelm, ein treuer Protestant, die 
Wiege der Reformation antasten; aber die lebendige Gegenwart 
forderte ihr Recht vor der ruhmvollen Vergangenheit, und in 
Wittenberg war nichts mehr zu zerstören, es konnte nicht mehr 
.weiterbestehen. 
2. Halle-Wittenberg. Die Friedrichs-Universität in Halle war 
ivährend der Fremdherrschaft zweimal geschlossen worden, zuerst 
1807. Sie wurde aber auf Bitten des berühmten Pädagogen und 
Theologen August Hermann Niemeyer im Mai 1808 wieder eröffnet. 
Und als im Sommer 1813 nach dem unglücklichen russischen 
Feldzuge Jerome im Lande umherreiste und Halle ihm einen kalten 
Empfang bereitet hatte, war er über die Hallenser erbittert; und 
Napoleon, der auf Halle nie gut zu sprechen war, drohte, eine ganze 
Reihe Bürger erschießen zu lassen, der Stadt eine schwere Kontri¬ 
bution aufzuerlegen uud Studenten und Professoren zum Teufel 
jagen zu wollen. Am 15. Juli wurde die Universität aufgehoben. 
Sofort nach dem Einzüge der Preußen wurde sie aber wieder 
eröffnet. Trotz schwerer Verluste besaß sie auch noch einen leidlich 
vollständigen Lehrkörper, zahlreiche Institute und eine rasch wieder 
anwachsende Studentenschaft. Daher befahl der König schon von 
Wien aus im April 1815, daß Wittenberg mit Halle vereinigt 
werden sollte. Die Wittenberger Professoren versuchten keinen 
'Widerspruch, ihrer sieben traten in die neue Universität Halle-Witten-
	        
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