Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

128 Das Mittelalter. 
Begeisterung. Nach fünfwöchiger, mühevoller Belagerung stürmte sie 
1099 bte Stabt mit bem Rufe: „Gott will es!" Gottfrieb war ber erste 
auf ber Mauer. Nun begann ein furchtbares Blutbad; von ben 
Treppenstufen einer Moschee riefelte bas Blut; mau verschonte weber 
Greise noch Weiber, noch Kinber. Gottfrieb versuchte vergeblich bem 
Morden Einhalt zu thun. Da legte er ein härenes Gewanb an,' ging 
barfuß mit einigen Gefährten in bie Kirche bes heiligen Grabes unb 
sank zu inbrünstigem Gebete nieder. Nach unb nach füllte sich bie 
Kirche. Dieselben Krieger, welche eben solche Greuel verübt hatten 
reinigten sich vom Blute unb zogen als Büßenbe barfuß unb mit 
enblößtem Haupte in bie Auferstehungskirche, um Gott zu banken 
unb Buße zu geloben. 
d. Das Königreich Jerusalem. Um bas Gewonnene in ber 
Mitte feindlicher Völker zu erhalten, beschloß man, in Jerusalem 
ein christliches Reich unter einem Könige zu errichten. Die Wahl 
fiel auf Gottfrieb. Er lehnte aber bie ihm zugedachte Würbe mit 
ben Worten ab: „Wo mein Heilanb eine Dornenkrone getragen, will 
ich keine Königskrone tragen!" Doch nahm er bie Bürbe bes ihm 
zugebachten Amtes auf sich unb nannte sich Beschützer bes heiligen 
Grabes. Aber schon im folgenben Jahre erlag ber eble Helb bett 
ungeheuren Anstrengungen. Sein Bruber Balbuin folgte ihm unb 
nannte sich König von Jerusalem. 
e. Die übrigen Kreuzzüge. Das Königreich Jerusalem hatte 
mit ben Mohammebanern harte Kämpfe zu bestehen; aber Balbuin 
war ein kräftiger Herrscher. Er eroberte auch noch bie bebentenbsten 
Orte Palästinas am Mittelmeere, unb unter seinem Nachfolger würbe 
auch Tyrus unterworfen. Die italienischen Städte Genua unb Venebig, 
bie bamals mit bem Morgenlanbe lebhaften Handel trieben, unter ^ 
stützten bas junge Königreich; auch würben von Deutschlanb aus noch 
mehrere Krenzzüge gemacht. Ja, so groß war bie Begeisterung, 
baß einst 50 000 Kinber aus Frankreich unb Deutschlanb zur Eroberung 
des heiligen Lanbes auszogen, bie aber unterwegs sämtlich nmkamen 
ober von ben Türken zu Sklaven gemocht würben. Nach unb nach 
gingen alle christlichen Besitzungen wieder verloren. 
f. Folge der Kreuzzüge. Durch bie Kreuzzüge sinb über 5 Milli¬ 
onen Menschen geopfert worben, unb boch ist ber eigentliche Zweck berfelben 
— bas heilige Land ben Hauben ber Ungläubigen zu entreißen — nicht 
erreicht. Dennoch sinb bie vielen Opfer nicht umsonst gebracht! Am 
meisten würbe durch die Kreuzzüge das Ansehen des Papstes und der 
Kirche gehoben. Sie waren von der Kirche veranlaßt, der Papst galt als 
ihr oberster Leiter; er erschien deshalb als der gemeinsame Herr der ge¬ 
samten Christenheit. Das Ritterwesen wurde durch die Kreuzzüge ver¬ 
edelt; dadurch, daß der Ritter sich in den Dienst der Kirche stellte, für 
sie und Gottes Ehre das Schwert zog, kam er zu dem Bewußtsein,
	        
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