Rudolf von Habsburg. 139
roter Erde) konnte er aufgenommen werden. Bei dieser Aufnahme
mußte er schwören: „Ich gelobe, die heilige Feme halten zu helfen
und zu verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter, vor
Schwester und Bruder, vor allem, was zwischen Himmel und Erde
ist." Die Sitzungen, Freiding, fanden am Tage an den uralten
Gerichtsstätten im Freien statt. Vor dem Grafen lagen ein blankes
Schwert zur Eidesabnahme und ein ans Weiden geflochtener Strick
zur Vollstreckung des Todesurteils. Hatte jemand ein vor die Feme
gehörendes Verbrechen begangen, so wurde er vorgeladen. Konnten
die Boten den Beklagten selbst nicht treffen, so hefteten sie den Vor-
ladnngszettel an die Thür des Vorzuladenden, schnitten aus derselben
drei Späne als Wahrzeichen für den Freigrafen und schlugen dreimal
gewaltig gegen dieselbe. Der Geladene hatte sich an einem ihm be¬
stimmten Orte einzufinden; hier empfing ihn ein Schöffe pj) führte
ihn nach dem Freistuhle. Bekannte er, oder wurde er überführt, so
sprachen die Schöffen das Urteil; war es die Todesstrafe, so wurde
er gleich an den nächsten Baum gehängt. Gelindere Strafen waren
Landesverweisung und Geldbuße. Stellte sich der Angeklagte nicht,
so galt er als schuldig und war verfemt, d. i. in die, Acht erklärt.
Daher hieß das Gericht das Femgericht. Dann ward der Name
des Verurteilten in das Blutbuch geschrieben, und der also Verfemte
war von jetzt an von unsichtbaren Händen verfolgt. Jeder Wissende
hatte die Pflicht, das Urteil zu vollstrecken; wo er des Verfemten
habhaft werden konnte, im Hause oder auf der Straße, da stieß er ihn
nieder oder henkte ihn. Zum- Zeichen, daß der Getötete durch die
Feme gefallen, ließ man ihm alles, was er hatte, und steckte ein Messer
neben ihm in die Erde.
Dieser Bund von vielen tausend Männern aus allen Ständen
und allen Gegenden Deutschlands war ein starker Schutz für den
Frieden im Reiche; mancher Bösewicht, der vielleicht durch Bestechung
den Händen der Gerechtigkeit entgangen war, erhielt durch die Feme
seinen verdienten Lohn, und Fürst und Ritter erbebten hinter ihren
festen Mauern, wenn in stiller Nacht vor ihrem Thore der Ruf der
Freischöffen erscholl. Als später die Fürsten in ihren Ländern selber
eine bessere Rechtspflege übten, erlosch die Macht der heimlichen Gerichte
von selbst.
24. Rudolf von Habsliurg; 1273—1291.
a. Das Zwischenreich; Rudolfs Wahl. Schon zur Zeit der
sächsischen Kaiser waren die großen Herzogtümer erblich geworden;
die Hohenstaufen suchten diese, da sie dem Reichsoberhaupte gefähr¬
lich schienen, zu zerstückeln und auch die kleinen geistlichen und