Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

272 Die Neuzeit. 
seinen Zuhörern in das Regiment ein. Max von Schenkendorf, 
einer der edelsten Sänger jener großen Zeit, eilte ebenfalls herbei, 
um trotz seiner gelähmten Rechten den Feldzug mitzumachen. Ein 
Graf trat mit drei Söhnen ein und schenkte außerdem 30000 Mark, 
5000 Scheffel Getreide und alle seine Pferde und Ochsen. Ein 
Bauer sandte ein Pferd mit den Worten: „Fünf haben mir die 
Franzosen gestohlen, das sechste will ich ihnen nachschicken." Eine 
Soldatenwitwe lieferte zwei Paar wollene Socken ein, „als ihr letztes 
bischen Armut". Unzählbar sind die vielen Gaben an barem Gelde 
und Schmucksachen. Die Schwester des Königs gab dem Kriegsschatze 
ihren ganzen Schmuck; 160000 goldene Trauringe wurden eingesandt, 
dafür erhielten die Geber eiserne mit der Inschrift: „Gold gab ich 
für Eisen 1813". Ein 16jähriges Mädchen ließ sich ihr schönes 
Haar abschneiden und brachte die dafür gelösten 9 Mark; ein vor¬ 
nehmer Mann hörte dies, kaufte das Haar zurück und ließ allerlei 
Schmucksachen daraus bereiten, die er zu Gunsten des Kriegsschatzes 
für 600 Mark verkaufte. Das Frühjahr und der Sommer von 1813 
werden in der Geschichte unseres Vaterlandes unvergeßlich sein. Jeder 
fühlte, daß ber Sieg nur in der Zucht und in dem Vertrauen auf 
Gott möglich sei, und so begann mit den Freiheitskriegen auch ein 
neues sittliches und religiöses Leben des deutschen Volkes. 
Während dieser Rüstungen hatte Napoleon ein Heer von 350000 
Mann ausgehoben, zu denen später noch 180000 kamen; auch der 
Rheinbund mußte wieder die übernommene Zahl liefern. Napoleon 
prahlte voll Siegeszuversicht: „Und wenn die feindlichen Heere selbst 
auf dem Montmartre (vor Paris) ständen, so sollte es ihnen doch 
nicht gelingen, Frankreich ein Dorf zu entreißen." Der preußische 
Name sollte gänzlich ausgerottet werden. Die Kosacken waren den 
Feinden fortwährend auf den Fersen und trieben sie aus Berlin, 
Mecklenburg, Hamburg, Lübeck. Waren sie auch struppig und 
schmutzig in ihren großen, wirren Bärten und langen schwarzen, nie 
gekämmten Haaren, mit dicken Pelzen, blauen Pumphosen, langer 
Lanze, auf mageren, häßlichen, aber schnellen Pferdchen, so wurden 
sie doch als Befreier überall freudig begrüßt. 
c. Großgörschen, Bautzen; Waffenstillstand. Napoleon ging 
mit der Hauptmacht nach Sachsen und rückte in die Ebene von Leipzig; 
da fiel ihm das verbündete Heer in die Flanke, und es folgte die 
ai unentschiedene Schlacht von Großgörschen oder Lützen, in der 
die preußischen Freiwilligen ihre erste Feuerprobe glänzend bestanden. 
Scharnhorst und alle hohen Offiziere stellten sich mit gezogenem Säbel 
an die Spitze der Regimenter; ja beide Monarchen und die preußischen 
Prinzen begaben sich selber ins Gefecht. Schon wichen die Franzosen, 
die Preußen eroberten zum sechstenmal Großgörschen; dennoch ver¬ 
mochten sie den Sieg nicht zu erringen, weil sie von den Russen zu 
wenig unterstützt wurden. Am folgenden Morgen begann der Rück--
	        
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