Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

Herkules. 17 
schlossen sich die Wohnungen für die Priester, welche am Heiligtum 
angestellt waren. 
Wer das Orakel befragen wollte, mußte sich zuerst durch Reinigung, 
Gebete und Opfer vorbereiten; dann führten die Priester die Pythia 
in den Tempel. Auf hohen Stelzenschuhen, in schleppendem Gewände, 
mit wallenden Haaren und goldenem Kopfputz erschien sie wie ein 
überirdisches Wesen. In der Vorhalle brachte sie auf dem 5 m hohen, 
goldenen Dreifuß, der eine große Schale trug, ein Brandopfer. 
Darauf begleitete sie der Oberpriester in das Heiligtum an den mit 
Lorbeeren bekränzten Dreifuß; sie bestieg denselben und ließ sich oben 
auf einen Sessel nieder. In ihrer Nähe standen die Priester mit 
Täfelchen; die Fragenden befanden sich in einem anliegenden Gemache. 
Es währte nicht lange, so geriet die Priesterin durch die aus dem 
Schlunde emporsteigenden Dünste in Verzückung, in welcher sie dann 
ihre Sprüche ausstieß. Dies waren mitunter verständliche und ver¬ 
nünftige Worte und konnten ohne Änderung dem Fragendem mitgeteilt 
werden; meistens waren dieselben ohne vernünftigen Sinn und Zu¬ 
sammenhang. In diesem Falle war es die Aufgabe der Priester, die 
Worte zu deuten. In zweifelhaften Fällen gaben die Priester wohl 
eine dunkele, doppelsinnige Antwort (S. 12 o.); aber meistens erbat 
sich der Fragende nur einen Rat, und ben konnte er nirgends besser 
erlangen, als bei den weisen Priestern Delphis, die über alle Ver¬ 
hältnisse Griechenlands am besten unterrichtet waren. Nach Empfang 
des Orakelspruches brachten die Fragenden wieder Geschenke und 
Opfer; mit dem Lorbeerkranze auf dem Haupte wanderten sie wieder 
ihrer Heimat zu, und dieser Kranz des Apollo schützte sie vor jedem 
Angriff. — Das Orakel zu Delphi stand weit über die Grenze 
Griechenlands hinaus in hohem Ansehen; durch die vielen Geschenke 
wurde es so unermeßlich reich, daß griechische Staaten in Kriegszeiten 
bei dem Orakel Geldanleihen machen konnten. 
2) Kerkules. 
Die älteste griechische Sage berichtet uns von Heroen oder 
Halbgöttern, welche sich durch Bekämpfung oder Erlegung wilder 
Tiere und Ungeheuer, sowie durch Gründung von Städten um ihr 
Vaterland verdient machten. Der hervorragendste derselben ist Her¬ 
kules. Er war der Sohn des Zeus und der Königin von Theben. Hera 
war eifersüchtig auf den schönen Knaben und schickte zwei Schlangen 
in seine Wiege, die ihn töten sollten; aber lächelnd ergriff das 
Kind dieselben und erdrückte sie beide. Zeus hatte den kraftvollen 
Knaben lieb und schenkte ihm die Unsterblichkeit. Als Herkules einst 
als Jüngling umherschweifte, gelangte er an einen Scheideweg. Da 
erschienen ihm die Göttinnen der Tugend und des Lasters, und jede 
forderte ihn auf, ihr zu folgen. Er reichte der bescheidenen Tugend 
Hoffmeyer und Hering, Hilfsbuch. 7. Aufl. 2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.