Ursache und Ausbruch des deutsch-französischen Krieges. 301
ich ihm weiter nichts mitzuteilen habe." Die Franzosen sahen in dieser
Abfertigung ihres Gesandten die Ehre Frankreichs verletzt und be¬
haupteten, daß Preußen bereits zum Kriege rüste; Frankreich, so hieß
es, muß sich beeilen, den angebotenen Krieg anzunehmen. Das ganze
französische Volk begrüßte die Kriegserklärung mit begeisterter Zu¬
stimmung Der Präsident des Senats sagte dem Kaiser: „Das Vater¬
land ist mit Ihnen, bebend vor Ungeduld und Stolz!"
b. Mobilmachung. König Wilhelm eilte (15. Juli) nach Berlin,
überall mit Begeisterung empfangen. Schon in der folgenden Nacht
wurde die Mobilmachung der gesamten Armee des Nord¬
deutschen Bundes ausgesprochen. Am 19. JulLtrat der Reichstag
des Norddeutschen Bundes zusammen. Während oer Eröffnung des-19. Juli
selben traf die amtliche Kriegserklärung der französischer: Regierung 1870
in Berlin ein. In seiner Thronrede sprach der König: „Wir handeln
in dem vollen Bewußtsein, daß Sieg. und Niederlage in der Hand des
Lenkers der Schlachten ruhen. Je unzweideutiger' et .vor aller Augen
liegt, daß man uns das Schwert in die Hand Je.zwungen hat, mit
um so größerer Zuversicht wenden wir uns an die Vaterlandsliebe
und Opferfreudigkeit des deutschen Volkes." Der Norddeutsche Reichs¬
tag antwortete dem Könige: „Von den Ufern des Meeres bis zum
Fuße der Alpen hat das Volk sich auf den Ruf seiner einmütig zu¬
sammenstehenden Fürsten erhoben. Kein. Opfer ist ihm zu schwer.
Es gilt der Ruhe Europas und der Willfahrt der Völker!" Am
19. Juli, dem Sterbetage der unvergeßlichen Königin Luise, wurde
auch der im Jahre 1813 gestiftete Orden des eisernen Kreuzes für
den bevorstehenden Krieg erneuert, für foßjt,27. Juli ein allgemeiner
Buß- und Bettag angeordnet; in dem Erlasse darüber sprach König
Wilhelm: „Ich beuge mich vor Gott in Erkenntnis seiner Barmherzig¬
keit und bin gewiß, daß meine Unterthanen und meine Landsleute
es mit mir thun."
Unterdessen hatte auch Frankreich seine Vorbereitungen getroffen.
Auf die Frage, ob es genügend gerüstet sei, antwortete der Kriegs¬
minister: „Wir sind über und über fertig, und wenn der Krieg ein
Jahr dauert, so brauchen wir auch nicht einen Knopf zu kaufen." In
ganz Frankreich erscholl der voreilige Siegesruf: „Nach Berlin, nach
Berlin!" Die Franzosen hofften, die Süddeutschen würden sich
ihnen anschließen oder doch wenigstens neutral bleiben; aber sie hatten
sich bitter getäuscht. Auch hier erwachte die herrlichste Begeisterung:
Bayern, Württemberg, Baden und Hessen stellten ihre Truppen sofort
unter den Oberbefehl des Königs von Preußen. (S. 299.)
Eine Begeisterung wie in den Tagen der Freiheitskriege erwachte durch
das ganze deutsche Vaterland, „vom Fels zum Meer", von den Ufern der
Nord- und Ostsee bis zu den Alpen. Alle wollten mitziehen in den heiligen
Krieg, in den Vergeltungskrieg gegen den Erbfeind. Verschwunden war die
Trennung Deutschlands in Nord und Süd; vergessen war der alte Hader: