Gründung Roms. 49
fressen, so galt das als böses Zeichen. Die Opferschauer untersuchten Herz,
Leber und Lunge der Opfertiere und weissagten aus deren Beschaffenheit, ob
ein Unternehmen glücklich oder unglücklich verlaufen werde. Da die Deutung
aller dieser Zeichen von den Priestern gegeben wurde, so hatten diese auf das
Leben des Einzelnen wie des Staates großen Einfluß.
2) Gründung Worns; 753 v. Khr.
Wie der Anfang der griechischen Geschichte, so ist auch die ältere
römische Geschichte vielfach mit Sagen ausgeschmückt. Die Gründung
der Hauptstadt erzählt die Sage, wie folgt.
Aus dem Brande Trojas rettete der Held Äneas seinen Vater
Anchises und seinen Sohn Askanius und begab sich mit ihnen^u
Sckiiife. Er nahm seinen Weg gen Westen und landete nach einer
lärmen und mühseligen Meerfahrt in dem an der Mündung des Tiber
gekegenen Gebiete von Latium in Italien. Hier trat ihm der König
der Latiner feindlick entgegen; als derselbe aber vernahm, daß der
Fremdling der wert und breit gepriesene Held 'Äneas sei, gab er ihm
seine Tochter zur Frau. Askanius gründete Alba Longa; einer
seiner Nachkommen hinterließ zwei Söhne, Numitor und Amulius.
Letzterer verdrängte seinen Bruder und machte dessen Tochter zur
Vestalin. Als diese dennoch Zwillings-Knaben gebar, als deren Vater
Mars galt, ließ Amulius die Mutter lebendig begraben, die Knaben
aber in einem Korbe nach dem Tiber tragen, damit sie dort ertränkt
würden. Der Fluß war gerade über seine Ufer getreten, und die
Diener konnten nicht an den Fluß selbst gelangen; sie setzten daher
den Korb mit den Kindern auf das ausgetretene Wasser und gingen
davon. Das Wasser verlief sich, und der Korb blieb an den Wurzeln
eines wilden Feigenbaumes hängen. Da kam eine durstige Wölfin
daher und säugte die jammernden Kleinen. Ein Hirt fand sie, hob
sie mitleidig auf und brachte sie seiner Frau. Unter ihrer Pflege
wuchsen die beiden Knaben, Romulus und Remus genannt, zu
kräftigen Jünglingen heran, weideten ihre Herden und übten durch
Jagd und im Kampf mit räuberischen Menschen und Tieren ihre
Kraft. In einem Streite mit den Hirten Numitors wurde Remus
einst gefangen genommen uud vor Numitor gebracht. Bei dem Ver¬
hör, das dieser mit dem Jünglinge anstellte, fiel ihm dessen Ähnlich¬
keit mit seiner ermordeten Tochter auf; auch trat Remus nicht wie
ein Hirt, sondern wie ein Jüngling von königlicher Herkunft auf.
Numitor forschte bei dem Hirten nach der Abstammung des Jünglings
und erfuhr das ganze Geheimnis. Mit Freuden erkannte er seine
Enkel und offenbarte ihnen, was Amulius Übles an ihnen gethan
hatte. Die beiden Jünglinge machten sich mit ihren Genossen sofort
auf den Weg, ermordeten Amulius und setzten ihren Großvater wieder
auf den Thron. Aus Dankbarkeit erlaubte dieser ihnen, an der
Stelle, wo sie als Hirten gelebt hatten, eine Stadt zu bauen.
Hoffmeyer und Hering, Hilfsbuch. 7. Aufl. 4