108 § 19: Der erste Kreuzzug u. die Errichtung des Königreichs Jerusalem. 
in der Verzweiflung einen Ausfall versuchte und wider Er¬ 
warten das feindliche Heer zersprengte. 
b) Belagerung und Eroberung von Jerusalem: 
Antiochla kam als Fürstentum an seinen Eroberer, den Nor¬ 
mannenfürsten Boemund. Die übrigen Kreuzfahrer, deren 
Zahl auf ungefähr zwanzigtausend zusammengeschmolzen war, 
langten im Juni des Jahres 1099 vor Jerusalem an, das im 
vorhergehenden Jahr den Türken von den Fatimiden wieder 
entrissen worden war. Nach einem mißlungenen Sturm mußte 
die mühevolle und langwierige regelrechte Belagerung unter¬ 
nommen werden. Endlich, am 15. Juli 1099, drangen die 
Christen, Gottfried von Bouillon und sein Bruder Eustach an 
der Spitze, in die Stadt ein. Muslim und Juden wurden 
schonungslos in greuelvollem Blutbad niedergemacht; dann 
pilgerten die Kreuzfahrer zu den heiligen Stätten, um in tiefster 
Zerknirschung hier ihre Sünden zu beichten. 
III. Errichtung des Königreichs Jerusalem. 
Die Geistlichkeit hätte es gern gesehen, wenn eine kirch¬ 
liche Herrschaft in der gewonnenen Hauptstadt Jerusalem ein¬ 
gesetzt worden wäre. Aber ihrem Widerspruch zum Trotz 
wurde eine Woche nach der Einnahme Herzog Gottfried 
unter dem Namen „Beschützer des Heiligen Grabes“ von 
den Fürsten zum Herrn von Jerusalem gewählt.. 
Nachdem dann ein ägyptisches Heer, das zur Wieder¬ 
gewinnung der Stadt sich bei Askalon1) gesammelt hatte, 
von den todesmutigen Christen geschlagen worden war, sah 
man den Kreuzzug als beendigt an, und die meisten Fürsten 
machten sich auf den Heimweg. 
Nach Gottfrieds frühem Tod (im Jahr 1100) beriefen die 
lothringischen Ritter B alduin von Edessa zum Nachfolger seines 
Bruders. Er übertrug sein armenisches Fürstentum einem gleich¬ 
namigen Vetter und wurde nach seiner Ankunft zum König von 
Jerusalem gekrönt. Nach und nach wurden die meisten anderen 
Städte Palästinas von den Christen erobert. Auch in Tripolis2) 
schuf sich einige Jahre später ein Sohn Raimunds ein eigenes 
Fürstentum und trat, wie das die Herren von Edessa und Antiochla 
schon vor ihm getan hatten, zum König Balduin in ein lockeres 
*) Westsüdwestlich von Jerusalem, am Meer. 
2) Heute Tarabulus, nördlich von Beirut.