— 318 —
Freunde haben, weil wir sie verdienen. Wie beruhigend dieser Gedanke ist,
läßt sich nicht sagen. Ich ertrage alles mit einer solchen Ruhe und Ge¬
lassenheit, die uur Ruhe des Gewissens, reine Zuversicht geben kann. Des-
wegen seien Sie überzeugt, bester Vater, daß wir nie ganz unglücklich sein
können, und daß mancher, mit Kronen und Glück bedrückt, nicht so froh ist,
als wir es sind. Gott schenke jedem Guten den Frieden in seiner Brust, und
er wird noch immer Ursach zur Freude haben.
Noch eins zu Ihrem Tröste, daß nie etwas von unsrer Seite geschehen
wird, das nicht mit der strengsten Ehre verträglich ist und nicht mit dem
Ganzen gehet. Denken Sie nicht an einzelne Erbärmlichkeiten. Auch Sie
wird das trösten, das weiß ich, so wie alle, die mir angehören. Ich bin auf
ewig Ihre treue gehorsame, Sie innig liebende Tochter n -r
Frühling 1808.
Bester Bater!
Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt! Für
mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser
Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig, und in solcher
Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig
glückselig.
Es wird mir immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es gekommen
ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und
es soll eine andre Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat
und in sich selbst als abgestorben zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf
den Lorbeeren Friedrichs des Großen, der, der Herr seines Jahrhunderts, eine
neue Zeit schuf. Wir sind mit ihr nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt
sie uns. — Das siehet niemand klarer ein als der König. Noch eben hatte
ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, und er sagte, in sich gekehrt,
wieberholetttlich: „Das muß auch bei uns anders werden." Auch das Beste
und Überlegteste mißlingt, und der französische Kaiser ist wenigstens schlauer
und listiger. Wenn die Russen und die Preußen tapfer wie die Löwen ge-
fochten hatten, mußten wir, wenn auch nicht besiegt, doch das Feld räumen,
und der Feind blieb im Vorteil. Von ihm können wir vieles lernen, und es
wird nicht verloren sein, was er getan und ausgerichtet hat. Es wäre Läste-
rung, zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des
Allmächtigen Hand, um das Alte, das kein Leben mehr hat, das aber mit
den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben.
Gewiß wird es besser werden, das verbürgt der Glaube an das vollkom-
menste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten.
Deshalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und
sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Throne ist. Fest und ruhig ist nur
allein Wahrheit und Gerechtigkeit, und er ist nur politisch, das heißt klug,
und er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach Umständen,
wie sie nun eben sind. Dabei befleckt er seine Regierung mit vielen Unge-
rechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit der guten Sache nnd mit den
Menschen. Er und sein ungemessener Ehrgeiz meint nur sich selbst und sein
persönliches Interesse. Man muß ihn mehr bewundern, als man ihn lieben
kann. Er ist von seinem Glück geblendet, und er meint, alles zu vermögen.