Die weltgeschichtlichen Völker Europas. II. Die Römer. 129
trat ein neuer Adel, ein Hofadel, dessen Glieder ihre Stellung
dem Fürsten verdankten, in dessen Diensten sie emporgekommen waren,
und dem sie sich auch ferner dienstbereit anschlössen. Eine besonders
hervorragende Stellung gewannen als Diener und Freunde des
Augustus: Agrippa, aus niederm Geschlechte zum Schwiegersohn
des Casars emporsteigend, weil er als Feldherr die Macht desselben
begründet hatte und ihm unentbehrlich war, und Mäcenas, die
rechte Hand des Augustus in allen politischen Angelegenheiten und
Protector aller Künstler und Literaten. Der Senat, in den Augustus
den neuen Hofadel aufnahm, hatte keine beschließende Entscheidung
mehr, sondern hatte nur seinen Rath zu ertheilen für die Gesetzes-
vorlagen, welche der Princeps mit dem Consistorium, einem Senats¬
ausschusse, vorher bearbeitet hatte; seine Hauptbedeutung lag noch
darin, daß er Appellhof und oberstes Criminalgericht war. Die
Volksversammlungen, längst unterwürfige Werkzeuge der Macht-
haber, wurden der Form wegen zwar noch berufen, waren aber ohne
Einfluß, da die republikanischen Aemter nur noch der Ehre wegen
gesucht wurden, keinerlei Macht verliehen und im Grunde von der
Ernennung des Kaisers abhingen. Den ersten Rang unter den Be-
amten hatte anfangs der Stadtpräfect, als oberster Wächter der
Polizei und Justiz, später wurde der Präfect der Prätorianer,
der erste Befehlshaber der Leibwache, der Erste nach dem Kaiser, da
er die Militär*, Finanz- und Provinzial-Verwaltung, die höchste Ge-
richtsbarkeit und die Vertretung des Kaisers in seine Hand bekam.
Die wichtigsten Reichsprovinzen hießen cäsarische; sie standen unter
unmittelbarer Verwaltung des Kaisers, und ihre Einkünfte flössen
in die Kasse des Fürsten, den Fiskus, der neben der Staats- urtd
Kriegskasse eingerichtet wurde; alle Beamten erhielten ein bestimmtes
Gehalt. Ein stehendes, stets schlagfertiges Heer von 350,000
Mann gehorchte dem Cäsar und vertheidigte in festen Standlagern
am Rhein, der Donau und dem Euphrat die Grenzen des weiten
Reichs, Bürger und Soldaten waren scharf getrennt; in Rom
standen zur Bewachung seiner Person die Cohorten der Prätoria¬
ner, der Garde, und zur Sicherung der Stadt die Stadttruppen zu
seinem Befehl; die zahlreiche Flotte lag in drei Hauptstationen an
der Küste des asiatischen Meeres, an der westlichen Küste Italiens
und an der gallischen Küste.
„Von dem Weltmeer bis an den Euphrat, von der Donau und
der Nordsee bis zu den Wasserfällen des Nils war die Welt dem
römischen Volke und seinem Kaiser unterthänig; aus sein Gebot er-
standen Landstraßen in bisher unwegsamen Gegenden, sein Wort
schuf Städte und bevölkerte sie wie auf Zauberschlag mit Menschen.
Inmitten des weiten Reichs lag die gebietende Hauptstadt, die
Stadt ohne Gleichen, mit mehr als 2 Millionen Menschen, strahlend
von Gold und Marmor, von Denkmalen menschlicher Kunst und Er-
Schurig, Lehrb. der Geschichte. I. q