Bilder aus der Culturgeschichte der Griechen. 157
Ehrengeschenke austheilte, genügte, wenn sie dem Unglücklichen, der
des Königs Zorn ober Laune gereizt hatte, am Gürtel faßte, jedes
Schreckliche, Abschneiden von Nase und Ohren, Ausstechen der Augen,
Hautabziehen, Kreuzigung, Lebendigbegraben, Verbannung aus öde
Inseln, den Tod in jeder grausamen Form zu verhängen. Die Sa¬
trapen, rechtlose Knechte dem Oberkönige gegenüber, unverantwort-
liche Despoten gegen ihre Unterthanen, waren voll charakterloser
Unterwürfigkeit nach oben, meist voll Härte und Brutalität nach
unten, daher die Unterthanen recht- und schutzlos ihrer Aussaugung
preisgegeben zur Bestreitung ihrer der königlichen nachgebildeten Hof-
Haltung, Wohl und Wehe der Provinzen gänzlich abhängig von dem
persönlichen Charakter des Statthalters. Abgesehen von diesen Er-
Pressungen herrschte im Perserreiche Milde und Schonung für die
vaterländischen Ordnungen und Sitten der unterworfenen Nationen, für
33 er kehr und Betriebsamkeit bot sich ein weites Feld, zollfreier
Handel, durch Kunst st raßen (Militairstraßen) mit Poststationen
und schattigen Rastorten gefördert, desgleichen durch Wasserstraßen.
Dennoch sank die Blüthe der Provinzen unter dem Odem des Des-
potismus der Satrapen, je mehr die Nachfolger des Darms, des
Organisators im persischen Reiche, unter den entnervenden Einflüssen
der Haremswirthschaft Umsicht und Kraft zum Herrschen ein-
büßten, während jeder Mangel an politischer Selbständigkeit den
Völkern Nationalgefühl und vaterländischen Sinn, damit aber Wider-
standsfähigkeit gegen äußere Feinde raubte. M Weber.)
Zweiter Abschnitt.
Lilder aus der Culturgeschichte der Griechen.
I. Die Herkulessage.
1. Das Heldenthum, seine Anlage im Kinde, seine Entscheidung im
Jünglingsalter.
Das Leben des Herkules ist ein schöner alter Mythus im
Sinne des heroischen Zeitalters, welcher das Ideal menschlicher
Vollkommenheit darstellt, nämlich die höchste Körperkraft, gepaart
mit allen den Vorzügen des Geistes und Gemüths, die jenes Zeitalter
anerkennt, beide geweiht dem Heile der Menschen, zunächst der eige-
nen Nation. Das Heldenthum zeigt sich zuerst in der A b st a m m u n g
und in der angebor nen Kraft des Heros. Er ist ein Mensch,
geboren von einer irdischen Mutter, Alkmene, sein Vater aber ist
Zeus der Vater der Götter, und das Große und Herrliche in ihm