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jetzt mit allen Arbeiten! Jede wußte der andern alles zu
erleichtern und alles zu verhüten, was ihr unangenehm
hätte sein können. Ihr Dienst war ihnen noch zehnmal
leichter als sonst, und keine dachte mehr daran, sich eine
andere Herrschaft zu suchen. Wenn am Abend ihre Arbei¬
ten fertig waren, oder wenn sie am Spinnrade saßen, er¬
zählten sie sich etwas, und verplauderten die Zeit so an¬
genehm, daß sie nicht wußten, wie sie hinging. — Was
sind wir für Närrinnen gewesen! sagten sie dann wohl zu¬
weilen: so gut hätten wir'S immer haben können! —
Jst's möglich, so viel an euch ist, so habt
mit allen Menschen Friede. Röm. 12, 18. Selig
sind die Friedfertigen, denn sie werden Got¬
tes Kinder heißen. Matth. 5, 9. So du einge¬
denk wirst, daß dein Bruder etwas wider dich
habe, so gehe hin und versöhne dich mit dei¬
nem Bruder. Matth. 5, 23. 24.
Lieben Menschen, seid doch gut,
Siebt euch doch als Brüder:
Eintracht nur schafft frohen Muth,
Zwietracht schlägt ihn nieder.
60. Jähzorn.
Riekchen brauste bei jeder Kleinigkeit auf, wurde roth
im Gesichte , und sahe dann etwas abschreckend aus. Sie
war, mit einem Worte, jähzornig. —
Einst wurde sie darüber verdrüßlich, daß ihre Mutter
ihr nicht erlauben wollte, das weiße Kleid anzuziehen.
Ihr kleiner Bruder Fritz kam zu ihr, um mit ihr zu scher¬
zen. Sie wies ihn aber unfreundlich ab, fuhr ihn nach¬
her heftig an, und stieß ihn endlich im Zorne so stark von
sich, daß er zu Boden sank, an einen Stuhl fiel, und sich
an der Stirne eine Beule schlug. Der Vater war gerade
herein getreten, und hatte Alles mit angesehen. Er nahm
Riekchen bei der Hand, und sperrte sie in ein kleines Käm¬
merchen ein; denn, sagte er, ein wildes Thier legt man
an Ketten, damit es nicht schade; einen jähzornigen Men¬
schen muß man einsperren, denn gleicht er nicht oft einem
wilden Thiere? —