Full text: Die Neuzeit (Teil 3)

•240 2. Periode: Zeitalter der absoluten Monarchie. 
im Rücken von Seidlitz bedroht, hielt das feindliche Fußvolk den In- 
santerieangriss des Königs nicht aus und. ergriff nach einer 
Viertelstunde in großer Unordnung schmählich die Flucht. In dieses 
CHaos brächen preußische Reiter vernichtend ein, und noch bevor 
die Dämmerung "des kurzen 5." Novembers hereinbrach, waren 50 000 
Franzosen und Reichsvöl ker von 22 000 Preußen total' 
ii er sprengt. Die Preußen verloren bei dieser Franzosenjagd nur 
über 300 Tote und Verwundete, ihre Feinde 6—700 Tote, 2000 
Verwundete und 5000 Gefangene. Die zerstreuten Reichstruppen 
gingen zum größten Teile nach Hause, die Franzosen unter Verlust 
ihres mit Luxus- und Modeartikeln aller Art erfüllten Lagers machten 
erjTlim^Epine Halt. Das von den hochfahrenden Franzosen gegebene 
»EIMcule« erregte in ganz Deutschland unendlichen Jubel 
und wurde hier überall als eine Entschädigung für die so oft empfun- 
dene französische Anmaßung gefeiert. Die ..eilende" Reichsarmee, die 
durch einen Druckfehler in der kaiserlichen Proklamation bereits als 
$ttie „elende" bezeichnet war, wurde der Gegenstand zahlreicher Spott- 
§T5Tch fe, und der Volkswitz geißelte die so kläglich bestandene Militär- 
macht der deutschen Kleinstaaten mit der Bezeichnung „Reißausarmee." 
Im übermütigen Volksliede erklang es: „Und wenn der große Fried¬ 
rich kommt und klopft nur auf die Hofen, fo flieht die ganze Reichsarmee, 
Panduren und Franzofen." 
5. Dezbr. Leuthen. Während die Welt feinen Sieg ausposaunt, eilt der 
1757 vielgeprüfte königliche Feldherr noch größern Sorgen und Gefahren ent- 
gegen, nach Schlesien, das ihm die Ostreicher samt der Hauptstadt ent- 
rissen hatten, und hier vollführt er kühn des Jahrhunderts glor- 
reichste Siegesthat, die ^erkrümmerung des mächtigsten und tüch- 
TigsterTber feindlichen Heere auf den Feldern von Leuthen. j^n dreizehn 
Marschtagen eilte er 40 Meilen, weit mit den Siegern von Roßbach 
i, zur Kasbach und vereinigte sich mit der von Zielen herangeführten 
) entmutigten Armee, Tie unteT"5e"nt .Herzog von Bevern b e i B r eJJjQjt 
! geschlagen worden war. Er hatte, obwohl sein vereinigtes Heer nur 
k Mo00' Mann stark war, nur die Wahl zwischen neuem Sieg 
oder Ta^gem llntergang und erklärte, die Ostreicher angreifen zu 
müssen, „auch wenn sie auf den Türmen von Breslau oder auf dem 
Zobtenberge stünden." Mit der ihm eignen Gabe der Bereds amkeit, 
unterstützt durch den Zauber ferner- Persönlichkeit, den Glanz seiner 
großen blauen Augen, begeisterte er die schon viel bewährten Führer 
seiner kleinen Armee. Er sagte unter anderm zu ihnen: „Ich werde 
gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des 
Prinzen Karl angreifen, wo ich sie finde. Ich muß diesen Schritt 
wagen, oder es ist alles verloren; wir müssen den Feind schlagen oder 
uns alle vor seinen Batterien begraben lassen. So denke ich, — so 
| werde ich handeln." Dann unterredete er sich zutraulich in populären 
! Worten mit allen Regimentern im Lager; so frug er bei den Pom- 
I mern: „Nun Kinder, wie wirds morgen aussehen? Der Feind ist
	        
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