8 1. Periode: Zeitalter der Reformation.
der Kaiser: unaufhörlich durchziehen ihre Ablaßverkäufer die der-
Ichiedenen Provinzen des Reiches. Die enge Verflechtung geistlicher und
weltlicher Fürstentümer und Gerechtsame giebt ihnen jeden Augenblick
Gelegenheit, in die innern deutschen Geschäfte einzu-
greifen." Der Papst zieht Streitigkeiten zwischen geistlichen und
weltlichen Herren an seinen Hof, kassiert ein Urteil des königlichen
Hofrichters, bestätigt einen Zoll, giebt einem Gerichte Unabhängigkeit
von der obersten kaiserlichen Instanz und bestätigt selbst einen Kurfürsten
(Friedrich von der Pfalz), den der Kaiser nicht anerkennen wollte.
Seitdem mit Friedrich III. der Kaiser sich als den natürlichen Ver-
bündeten des Papstes ansah (II, § 111), wurden die Reichstage unter
ihrer vereinten Autorität gehalten: sie heißen päpstliche und kaiser-
liche Tage und werden wohl von dem päpstlichen Legaten, zu dessen
Rechten die geistlichen, zur Linken die weltlichen Reichsfürsten sitzen,
noch vor Ankunft der kaiserlichen Kommissarien eröffnet.
Dem Bündnis des Kaisers und des Papstes gegenüber, gegen Ein-
griffe von beiden gerichtet, steht das weltliche Erbfürstentum,
Jahrhundert mächtig emporkam, obwohl es noch in unauf¬
hörlichem Wettstreit mit anderen Reichsgewalten begriffen war. Unter
diesen letzteren stehen obenan die geistlichen Reichsfürsten, dann
folgt der zahlreiche Herren stand, der noch gleichberechtigt und
selbständig neben die Fürsten sich stellte, ferner eine mächtige Reichs-
ritte rfchaft, welche am Rhein, in Schwaben und Franken in stolzer
Einsamkeit auf ihren Burgen mitten in den Wildnissen der Natur
hinter vierundzwanzig Schuh dicken Mauern jeder Gewalt trotzte und
sich in festere Genossenschaften zusammenschloß. Dazu kommen land-
süffige Ritter, die sich fürstlicher Landeshoheit erwehrten, und
endlich, dein gesamten Herrenstande gegenüber, die Städte, als die
unabhängigsten die Reichsstädte, aber auch die nach municipaler Unab¬
hängigkeit ringenden Hauptstädte der Stifter und weltlichen Fürstentümer.
Der mannigfache Widerstreit aller dieser Kräfte führte einen chaotischen
Zustand herbei, die Zeiten der allgemeinen Fehde. Ein
Landfriede, „von unserm gnädigsten Herrn, dem römischen König, zu
halten geboten und von unserm h. Vater, dem Papste, bestätigt", ge-
langte nicht zur Durchführung; nach außen war das Reich ohnmächtig.
Währmd in den größeren Monarchien ringsum die Königsherrschaft
sich befestigte (II, § 117, 118), zog Kaiser Friedrich III. im Reiche als
Flüchtling umher (II, § 111). Unter diesen Umständen ergriffen die
deutschen Stände die Initiative zu einer Ordnung der
deutschen Zustände, zu einer ständischen Neuordnung des Reiches
(II, § 116) unter zähem Widerstreben des Kaisers, unter mannigfaltigen
Gegenwirkungen der andern Reichsgewalten. Die beiden Aufgaben:
Reform des Reiches und der Kirche — harrten noch unter Maximilian I.
ihrer Lösung. Beide waren innig mit einander verflochten, und die
Lösung der einen hing mit von der Lösung der andern ab; die Reichs¬
fürsten nahmen sie zunächst von der weltlichen Seite her in Angriff.