2. Kapitel: Das französische Kaiserreich der Revolution ic. 369
Gesetzen, wie alle übrigen Untertanen, behandelt unter der Bedingung,
daß sie bestimmte Familien-Namen annehmen und ihre Händelsbücher
in deutscher Sprache führen sollten; man hoffte, daß sie dadurch mit
dem Übrigen Volke verwachsen würden. Große Sorgen bereitete fort¬
während die finanzielle Bedrängnis und der drohende Staats-
bankrott. Das ruymucye Veypie7"°derEr^parungen, mit dem der
König, wie auch die Prinzen vorangingen, die Einschränkung des Hof-
Haltes bis zu. bürgerlicher Einfachheit, die (^nTTtFffrüng de?"göldenen
Tafelservices in die Münze, reichten nicht aus; Anleihen mit Ver¬
pfändung Hon Domänen, Verkauf einzelner Domänen wurden nötig,
all e g eijtlicyen^teypjxfcall. Staatseigen tum er¬
klärt und der Uberschuß nach Abzug der auch ferner davon zu be¬
streitenden notwendigen Ausgaben für kirchliche Zwecke zu Staatszwecken
verwendet; alle Steuerbefreiungen, auch die GrimdsteuersreiMt
adliger Gjüfii; wurden aufgehoben. Alles lief darauf hinaus, die per-
sönliche Freiheit, ' die ungehinderte Bewegung und EntWickelung aller
Kräfte, die Gleichheit vor dem Geseke allen llnterthnnen des
Staates ohne Rücksicht auf Stand. Geburt und Religion zu gewähren.
Diese einschneidenden Neuerungen, welche durch Aufhebung
mittelalterlicher Einrichtungen altverbriefte Rechte riefen
dvch"WiderJjrcuch und Besorgnisse bei.den bisher Bevorzugten und
bei den altpreußisch Gesinnten hervor, und so sehr sie für die Zukunft
einen großartigenTüTliftoung der Volkskraft, Rührigkeit,
Unternehmungsgeist und Wetteifer beförderten, fo zeigte es sich später
doch, daß auch wirklich uachteilige Folgen damit sich verknüpften.
Ter Freiherr von Hardenberg, der seit 1810 als preußischer
Staatskanzler, unterstützt von Schön, Stägemann, Niebuhr^u. a., diese
fMatlicyen Reformen leitete, gestattete dabei den neuen Ideen mehr
Einfluß auf das ReorgauisäN.ön?w'er!, aIitcin bea'L-
jTchrttgTTjatte. Er befaß dessen großartigen Charakter nicht, feine ange-
neymen gewinnenden Formen umhüllten eher den leichten Sinn eines
Weltmannes; aber gerade die persönliche Liebenswürdigkeit des hell-
sehenden, wohlwollenden Staatsmannes wußte mit Klugheit und Be-
redsamkeit widerstrebenden Gegnern seiner Reformen geschickt Widerstand
zu leisten oder ihnen gewandt aus dem Wege zu gehen. Zugleich ver¬
stand er den zahllosen Bedrängnissen auf finanziellem Gebiete mit Aus¬
kunftsmitteln zu begegnen, die Stein verschmäht hätte, und zwar mit
solchem Erfolge, daß das Ergreifen so verzweifelter Maßregeln, wie die
in Vorschlag gebrachte Veräußerung Schlesiens, unnötig wurde. Den
immer gesteigerten und mit der größten Härte vertretenen Forderungen
Napoleons gegenüber ging es über alle Erwartungen hinaus, daß der
Staat sich feiner Verpflichtungen entledigen, und daß noch bedeutende
Mittel für die Neubildung des Heerwesens aufgebracht werden konnten.
Schurig, Lehrbuch der Geschichte. III.