30 1. Periode: Zeitalter der Reformation.
orte seiner Mutter, wo er eines bessern Unterrichts genoß. Auch hier
^ anfänglich als Kurrentschüler vor den Häusern sinaend
kümmerlich sein Brot erbetteln müssen, bis ihn Frau Kotta, eine
andächtige Matrone, zu sich an ihren Tisch nahm, „dieweil sie", wie
Johann Matthäus erzählt, „um seines Singens und seines herzlichen
Gebets willen eine sehnliche Zuneigung zu dem Knaben trug." Hier,
wo er Flöten- und Lautenspiel lernte, wurde er mit der Musik ver¬
traut, die für immer seine süßeste und liebste Trösterin werden sollte:
hier genoß er den Segen eines gemütvollen christlichen Haus-
st an des. Als sein Vater durch Fleiß und Sparsamkeit in den Besitz
zweier Schmelzöfen und damit zu einem gewissen Wohlstande kam, auch
Ratmann in Mansfeld wurde, besuchte Luther von 1501 — 1505 die
1501 Universität zu Erfurt, wo er die Magisterwürde erlangte. Hier
war ihm ein Blick in ein noch höheres Gebiet, als die Musik, ver-
gönnt: er sah in der Universitäts-Bibliothek zum ersten male'eine
ganze Bibel; „er kommt über Samuels und seiner Mutter Hanna
Historien, die durchliest er eilend mit herzlicher Lust und Freude, und
rf* iPn^rrQn' Öon ®run^ Herzens zu wünschen, unser getreuer
Gott wolle ihm dermaleinst auch ein solch Buch zu eigen bescheren."
Der Vater, ein kluger Mann, wünschte, daß sein Sohn Rechts-
gelehrter werden, sich anständig verheiraten und ihm Ehre machen
sollte: aber Luther, eine tiefer angelegte Natur, vertieft sich in das
Studium der mittelalterlichen Mystiker, um den wahren
Seelenfrieden zu finden, den er bisher vergebens gesucht hatte. Noch
ganz befangen in den vorherrschenden kirchlichen Anschauungen, sah er
in Gott nur den strengen Richter über alle Sündhaftigkeit, von der ihm
ein lebendiges Gefühl inne wohnte, einen Gott des Zornes, der nur
durch Buße, Abtötung des Fleisches und schweren Dienst versöhnt
werden könne. Bei dieser mönchischen Auffassung des Heils-
weges trafen ihn erschütternde Ereignisse: der plötzliche gewaltsame Tod
eines Freundes, ein furchtbares Gewitter aus einsamer Wanderung,
in dem er den Gott des Zornes und der Rache erblickte, als ein Blitz-
strahl neben ihm einschlug. „Hilf, liebe heilige Anna!" — rief er
aus — „so will ich alsbald ein Mönch werden!" „Von Schrecken
und Angst des Todes eilend umgeben, gelobte er ein gezwungen und
gedrungen Gelübde;" er verließ seine Eltern und verwandten Freunde
und begab sich wider ihrer aller Willen in das Kloster, um seine
Seligkeit durch klösterliche Heiligkeit zu verdienen; „denn" — sagt er
später — „wir wußten gar nichts, was ein Christ wissen soll, was
Sünde und Vergebung der Sünde sei, alles hatten sie verdunkelt und
unterdrückt. Wir wußten nicht anders, denn Pfaffen und Mönche
wären alles gar allein, und auf ihren Werken standen wir und nicht
auf Christo." Noch einmal ergötzte er sich mit seinen Freunden eines
1505 Abends bei Wein, Saitenspiel und Gesaug, dann erfüllte er sein
Gelübde und trat über die Klosterschwelle der A u g u st i n e r- E r e m i t e n
zu Erfurt; nur zwei lateinische Dichter, jetzt seine einzige Habe, be-