2. Kapitel: Die Reformation in Deutschland. 47
Mönch verachteten und schalten und der Kaiser ausrief: „Der soll mich
nicht zum Ketzer machen!" — klopfte ihm beim Hinausgehen der der-
suchte deutsche Feldhauptmann Georg von Frundsperg ermutigend
auf die Schulter, der tapfere Erich von Brauufchweig schickte ihm
zur Erquickung einen Trunk Eimbecker Biers in silberner Kanne und Land-
-graf Philipp von Hessen sprach zu ihm teilnehmend : „Habt ihr Recht,
Herr Doktor, so helf euch Gott." Auch der bedachtsame Friedrich von
Sachsen war mit feinem Professor zufrieden und sagte zu feinem Hof-
Prediger Spalatin abends in feiner Schlafkammer: „£> wie gut hat
Doktor Martinus vor Kaiser und Reich gesprochen." Ein Anschlag
am Rathause aber drohte „den Herren Romanisten", daß 400 ver¬
bundene Rittet den gerechten Luther nicht verlassen würden. „Schlecht
schreib' ich" — schließt der Anschlag — „doch einen großen Schaden
mein ich: mit 8000 Mann Kriegsvolk; Bundschuh Bundschuh Bund-
schuh!" Man wagte nicht, sogleich die Acht über Luther auszusprechen;
erst als die meisten reformatorisch gesinnten Stände abgereist und meist
nur Gegner auf heimliche Weisung zurückgeblieben waren, verhängte
der Kaiser die Reichsacht über Luther und alle seine Anhänger
in den schärfsten Ausdrücken. Das Dekret ward aber fälschlich auf die
Zeit zurückdatiert, in welcher die Stände noch vollzählig beisammen
waren.
Luther aus der Wartburg und die Stürme zu Wittenberg.
§ 19. Vor diesem Wormser Edikt wußte Luthern sein Fürst
nicht anders zu schützen, als dadurch, daß er ihn auf der Rückreise von
Worms im Thüringer Walde zum Schein überfallen, gefangen nehmen
und im tiefsten Geheimnis auf die Wartburg bei Eisenach
führen ließ. Während er hier eine Freistatt fand, breitete man aus,
er sei von Feinden aufgehoben und vielleicht getötet worden. Tiefe
Trauer darüber sprach Albrecht Dürer in seinem Tagebuche in den
Worten aus: „O ihr frommen Christenmenschen alle, helft mir fleißig
beweinen diesen gottgeistigen Menschen und Gott bitten, daß er uns
einen andern erleuchteten Mann sende." Luther hielt sich anfangs ganz
innerhalb der Burgmauern, später durchstreifte er als Junker Georg
mit einem Reiterbuben die Umgegend, wagte sich sogar einmal in Reiter-
kleidung, mit langem Haar und Bart, nach Wittenberg. Aber seine
Seele war auch während seines Ritterlebens immer in der Mitte des
kirchlichen Kampfes: „Auf der Jagd", sagt er, „theologisierte ich";
in den Netzen und Hunden des Jägers sah er die Bischöfe und An-
wälte des Antichrists, die den armen Seelen nachstellen. Schwere
Anfechtungen des Klosters kehrten ihm in der Einsamkeit zurück,
aus dem dunkeln Schatten seiner Studierstube sah er das Gespenst des
Teufels sich erheben, er aber raffte sich heftig auf und fchrie die Er-
scheinung an: „Hebe dich, Schandteufel!" Da verschwand das
Bild. Er vertiefte sich in die hl. Schrift, übersetzte das neue Testa-
ment aus dem Grundtexte in kräftiges herzgewinnendes