48 1. Periode: Zeitalter der Reformation.
Deutsch und übergab es 1522 nach einer Durchsicht mit Melanchthon
durch den Druck dem deutschen Volke.
1522 ^ Da riefen ihn Unruhen in Wittenberg zur Bekämpfung
einer gefährlichen religiösen Revolution, welche das reine Glaubens-
werk der Reinigung der Kirche in einen völligen Bruch mit dem
geschichtlichen Christentum zu verkehren, weltliche Ordnung und
alle höhere Kultur zu zerstören orohte. Er eilt trotz Bann und
Acht aus „seinem Patmos" zum Kampfe gegen fanatische Anhänger,
wider Rat und Befehl seines Fürsten, dem er jenen Brief voll
großartigsten Gottvertrauens sendet, in dem es u. a.
heißt: „Ich komme gen Wittenberg in gar viel einem höheren
Schutze, als des Kurfürsten. Ja, ich halte, ich wollte Ew. Kurf.
Gnaden mehr schützen, denn sie mich schützen könnte. Dieser Sache soll
noch kann kein Schwert raten oder helfen; Gott muß hier allein schaffen.
Wer am meisten glaubt, wird hier am meisten schützen." Falsche
Propheten aus Zwickau, derselben Gegend, von der aus schon die
hussitische Bewegung zu schrankenlosem Fanatismus aufgestachelt worden
war, verbreiteten die ausschweifendsten Meinungen in Wittenberg, ver¬
warfen die Kindertaufe, rühmten sich göttlicher ^Eingebung unter Nicht-
achtung des geoffenbarten Wortes und verkündigten einen all-
gemeinen Welt um stürz. Karlstadt trat mit ihnen in Verbindung
und schritt von Tag zu Tage zu ausfallenderen Veränderungen fort:
ohne alle Vorbereitung ging man zum Abendniahle und suchte etwas
darin, die Hostie sich nicht mehr vom Priester reichen zu lassen, sondern
sie mit den Händen selber zu ergreifen; man unterschied nicht Anbetung
und Verehrung der Bilder, wendete alle Schriftstellen gegen die Ab-
götterei auf den Bilderdienst an, und es erhob sich auf Karlstadts
Antrieb eine b i l d e r st ü r m e r i s ch e Bewegung, wie sie sich
seitdem ein halb Jahrhundert hindurch an so viel anderen Orten er-
zeugt hat; man riß die Bilder aus den Kirchen, zerhieb und verbrannte
sie in fanatisch = roher Zerstörungswut. Karlstadt ließ sich von den
„Inspirierten" sogar zu der Meinung fortreißen, man bedürfe, vom
Geiste unmittelbar erleuchtet, der Studien nicht mehr; Studierende
verließen die Universität und gingen nach Hause, ein Handwerk zu er-
lernen. Karlstadt ging selbst zu dem gemeinen Manne, um sich von
der unmittelbaren Erleuchtung desselben Aufschluß über eine dunkle
Schriftstelle zu erbitten im Mißverständnis des Spruches, daß, was
Gott den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen offenbart fei.
Ein Schulrektor forderte aus den Schulfenstern heraus die versammelten
Bürger auf, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen, da man ferner
der Gelehrsamkeit nicht mehr bedürfe, was der Menge sehr wohlgefiel.
Man verwarf selbst den schriftmäßigen Begriff der weltlichen Obrigkeit,
verlegte alle Autorität in die Mafje und lebte des tollen
Wahnes, durch sie in einer christlichen Republik das
Himmelreich auf Erden ohne Sünder und ohne Arme
und Bettler sofort verwirklichen zu können. Alte Irr-