72 1. Periode: Zeitalter der Reformation.
setzte. Als ihm einst eine seiner 17 Frauen den Dienst aufsagte führte
er sie aus den Markt, enthauptete sie selbst, stieß ihren Leichnam von
sich und ließ von den umstehenden Weibern das Lied: Allein Gott in
der Höh'" anstimmen. Nach dem Siege des Bischofs wurden Bockhold,
Kmpperdollmg und Krechting mit glühenden Zangen gezwickt und mit
ewem glühenden Dolche getötet, ihre Leichname aber in drei eisernen
Käfigen zur Abschreckung auf einem der Kirchtürme von Münster ausae-
hangt Dieser neue Auswuchs, der die Sache des Evangeliums so
furchtbar entstellte, diente indes nur dazu, daß der wahre s ch r i f t -
gemäße Protestantismus zu desto größerer Nüchternheit
und Klarheit sich erhob, und die reformatorischen Bestrebungen,
die von vornherein in einem Wegräumen des Veralteten und Ver¬
derbten bestehen mußten, erlangten mehr und mehr den Charakter des
Aufbauens und der Befestigung aus Grund der gewonnenen Resultate.
Karl V. während des 3. und 4. Krieges gegen Franz I. und des Kampfes
gegen die Barbaresken; vergebliche Einigungsversuche der streitenden
Religionsparteien; drohende Anzeigen.
§ 31. Inzwischen verfolgte Karl V. seine politischen Ziele durch
eine fortgesetzte doppeldeutige Haltung gegenüber den protestan-
tifchen Fürsten. Er kämpfte gegen die Vorposten der türkischen Herr-
schaft aus dem Mittelmeeree, die sogenannten Barbaresken oder Raub-
staaten Algier, Tunis und Tripolis, welche als Seeräuber das
Mittelmeer unsicher machten, die Küsten plünderten und verwüsteten
und Tausende von Christen in die Sklaverei schleppten- Er eroberte
Tunis, das unter türkischen Vasallen stand, und befreite zahlreiche
Christensklaven. Da reichten sich wiederum Frankreich und die
Türkei die Hand: Franz I. drang im 3. Kriege mit Karl V. in
Piemont ein, Sultan Soliman griff gleichzeitig Ungarn und Neapel
an, aber Franz I., von einem kaiserlichen Heere in feinem eignen Lande
bedroht, sah sich unter päpstlicher Vermittelung zum Waffenstillstand
von Nizza bewogen. Der Kaiser konnte einen 2. Zug gegen die
Raubstaaten und zwar gegen Algier unternehmen, der aber so un-
glücklich ablief, daß er sich kaum von Afrikas Küste zurück nach Spanien
retten konnte. Sofort begann Franz I. einen 4. Krieg gegen den
Kaiser, in dem dieser, kräftig unterstützt von den deutschen Fürsten und
im Bunde mit Heinrich VIII. von England, bis in die Nähe von Paris
vordringt, so daß Franz I. den Frieden von Crespy schließt, durch
welchen Mailand, Piemont, Neapel und Flandern in der Hand des
Kaisers verbleiben. Von Soliman erkauften Karl und sein Bruder
Ferdinand, nachdem Ungarn furchtbar verheert worden war, einen
5jährigen Frieden, in dem sie nur die Grenzplätze behielten.
Während dieser Kämpfe suchte der Kaiser die protestantischen
Stände durch sein mildes Auftreten, ohne grundsätzlich der römischen
Kirche etwas zu vergeben, von Feindseligkeiten gegen sich abzuhalten
und ihre Unterstützung zu gewinnen. Es wurden eine „löbliche christ-