Full text: Geschichte Preußens in Einzelbildern

Die alten Preußen. 21 
und langes, blondes Haar und bildeten einen mit den Slaven und Deutschen 
verwandten Völkerstamin. — Ihre Kleidung bestand aus selbstgewebter 
Leinwand, ans grobem Tuch und Pelzwerk. Die Männer trngen engan¬ 
schließende, kurze Röcke, die mit einem Gürtel zusammengehalten wurden, 
während zur Frauentracht lange Gewänder gehörten. — Wenngleich es in 
dem Laude keine Städte gab, fand man doch viele große Dörfer uud feste 
Wohnungen ans Holz erbant. Von den Gipfeln der Hügel drohten hölzerne 
Wehrburgen den Feinden. 
Beschäftigung. Waffen. Bürgerliche Ordnung. Die Bewohner- 
trieben Fischfang. Viehzucht und Ackerbau. Getreide und Hirse baute man 
zur Nahrung uud Flachs zur Kleidung. Die Jagd wurde mit Vorliebe 
ausgeübt. — Zu den Waffen gehörte die steinerne Streitaxt, eine große 
Streitkenle zum Schlagen und kleine Keulen zum Werfen. Letztere wurden 
so geschickl gehandhabt, daß man selbst den Vogel in der Luft damit traf. 
Von den Nachbarvölkern lernten die Bewohner auch die Handhabung des 
Schwertes, Spießes, Schildes und der Pfeile. — Das Volk war in elf 
Stamme eingeteilt, von denen jeder einen besonderen Gau*) (Landesbezirk) 
bewohnte. Da es kein gemeinschaftliches weltliches Oberhaupt gab, so hielt 
nur das Band der Religion alle Volksstämme zusammen. Im Falle eines 
Krieges wählte jeder Gau einen eigenen Anführer. 
Sitten. Die Tugend der Gastfreundschaft wurde besonders geübt. 
„Den Gast senden die Götter", das war der allgemeine Glaube. 
Daher galt es als die heiligste Pflicht, den Fremdling, welcher in die Hütte 
trat, vor jeder Gefahr zu schützen, ihn zu beherbergen, freundlich aufzu¬ 
nehmen und sorgsam zu verpflegen. — Auch zu Hilfeleistungen gegen Un¬ 
glückliche waren die Bewohner stets bereit. — Man rühmte an ihnen die 
Frömmigkeit und unverbrüchliche Treue. Der Dieb wurde mit dem Tode 
bestraft. Nach der allgemeinen Landessitte durfte der Mann drei Frauen 
heiraten, von denen indes die zuerst vermählte ein größeres Ansehen genoß, 
als die andern. Der Bräutigam mußte die Braut vom künftigen Schwieger¬ 
vater erkaufen. Während der Hochzeit schnitt man der Braut das lange 
Haar, die Zierde der Jungfrau ab. Wurde die Jungfrau aus dem väter¬ 
lichen Haufe zum Gatten abgeholt, so rief man ihr zu: „Wie du im Hause 
des Vaters das Feuer bewahrt und genährt hast, so bewahre es auch am 
Herde des Gatten." Im Hause ihres Mannes aber wurde sie durch die 
Worte ermahnt: „Halte fest am Glauben unserer Götter, und sie werden 
dir alles gewähren." — Leider besaßen die alten Preußen eine große 
Neigung zur Trunksucht. Bei den Gelagen tranken sogar Männer und 
Frauen um die Wette. Ja, man war der Ansicht, nur dann sei der Gast 
gut ausgenommen, wenn der Hausherr dafür sorgte, daß er in einen Rausch 
versetzt wurde. Das Hauptgetränk war Met und gegorene Stutenmilch. 
Frohsinn und Heiterkeit bildeten ein hervorragendes Merkmal des Volkes. 
Religion. Die alten Preußen verehrten viele Götter, unter welchen 
Perkunos der oberste war. Seine Sprache war der Donner, bei welchem 
alles Volk niederfiel und rief: ,,Gott Perkunos, erbarme dich unser!" 
Wen der Blitzstrahl traf, den rief Perkunos in die Gemeinschaft der Götter. 
Außerdem wurden noch verschiedene andere Götter verehrt, unter denen 
K'urche der Gott der Ernte war, dem man die Erstlinge der Früchte dar¬ 
brachte. Die Götter wurden nicht in Tempeln, sondern in heiligen Wäldern 
*) Zu diesen Gauen gehörte auch Ermland (südlich vom frischen Haff) und die 
Halbinsel Samland.
	        
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