Object: Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit

Bauernkrieg. 
239 
unterworfen waren, daß sie zu den Diensten, den Zehnten und den 
Zinsen, die er bisher von ihnen gefordert, sich fortan nicht mehr ver¬ 
stehen könnten; denn sie wären frei. Sie überfielen ihn und plünderten 
seine Klöster. Eine solche Erscheinung war nicht neu; schon lange vor 
dem Beginn der Reformation hatten sich hie und da Bauern verbun¬ 
den zu gewaltsamen Ausstande gegen ihre Herren; jetzt aber drohte der 
Aufruhr allgemein zu werden. Wie ein Lauffeuer verbreitete er sich am 
Rheine hin, durch Hessen und Thüringen und war gegen die geistlichen und 
weltlichen Herren gerichtet. In Haufen von mehreren Tausenden strichen 
die Bauern umher, sielen in das Gebiet des Adels ein, plünderten und 
zerstörten die Burgen und verübten die furchtbarsten Greuelthaten. 
Verschmitzte Männer, die aus diesem ordnungslosen Treiben Nutzen ziehen 
wollten, z. B. Thomas Münzer, stellten sich an ihre Spitze und die 
Unruhen breiteten sich über einen großen Theil Deutschlands aus. Die 
Bauern hofften, Luther werde augenblicklich für sie das Wort nehmen. 
Wirklich hielt er nach seiner Gerechtigkeitsliebe den Herren vor, wie viel 
schmähliches Unrecht sie an. den armen Leuten begangen hätten, aber 
er wies *auch die Untergebenen in scharfer Rede auf ihre Pflicht zurück 
und auf das göttliche Gebot: „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit" 
und „Ihr Knechte, gehorchet euren Herren, nicht allein den gütigen und 
gelinden, sondern auch den wunderlichen." Die Bauern achteten seiner 
Mahnung nicht, denn ein aufrührerischer Mensch pflegt auf die StimnK 
der Vernunft, pflegt auch auf die Warnung des göttlichen Wortes 
nicht zu hören. Es kam die Kunde von immer größeren Gräueln, die 
durch die Rotten der Bauern verübt wurden; man erzählte sich, daß 
unter ihnen die Rede sei von Einführung der Gütergemeinschaft, von 
einer allgemeinen Gleichheit, die herbeigeführt werden müsse, von einem 
Umsturz aller bisherigen Verhältnisse, von einer Umwandlung des gan¬ 
zen deutschen Reichs. Wie ein Schwert ging es durch Luthers Seele, 
als er sah, daß seine reine Sache der Kirchenlä'uterung mit diesem ver¬ 
brecherischen Aufruhr der Unverständigen vermengt werde. Im heftig¬ 
sten Zorne trat er nun gegen die räuberischen und mörderischen Bauern 
auf und forderte in leidenschaftlicher Hitze: sie todt zu schlagen wie tolle 
Hunde. Kaum ein Jahr währte der Bauernkrieg. Innerhalb dieser 
Zeit waren 130,000 Bauern erschlagen worden; die Felder waren mit 
Menschenblut getränkt, viele Burgen der Ritter lagen in Trümmern, 
Dörfer waren in Schutthaufen verwandelt, Städte zum Theil nieder¬ 
gebrannt, ganze Länder verheert, die Vorräthe vernichtet oder zerstreut, 
Jammer und Elend ward ausgesät, — die gewöhnliche Saat des 
Aufruhrs; und die Ernte? Jammer und Elend!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.