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Zweite Periode. Von 843 - 1056.
c) Der Ludolfingische Aufstand und die Ungarnschlacht.
Bald aber sah sich Otto einem Bunde gegenüber, der seine ganze
Stellung zu vernichten drohte. An der Spitze des Aufstandes
stand sein Sohn Ludolf, eifersüchtig auf den Einfluß, den
Adelheid und Ottos Bruder Heinrich auf die deutsche Politik
statt seiner gewonnen hatten. Gleichfalls aus persönlicher Ver¬
stimmung schloß sich ihm an Ottos Schwiegersohn Konrad von
Lothringen. Mit dieser persönlichen Auflehnung verband sich
der Sondergeist der Stämme. Nur mit größter Mühe wurde Otto
der Empörung Herr, und eigentlich nur dadurch, daß, als die
Ungarn wieder in Deutschland einfielen, die Nation zu der Über¬
zeugung kam, daß ihr wirklichen Schutz nur das Königtum ge¬
währen könne. Die Ungarn schlug Otto auf dem Lechfelde bei
Augsburg entscheidend im Aug. 955. Durch seinen Sieg er¬
möglichte er die Neugründung der Ostmark. Seitdem hörten
die Einfälle der Ungarn auf; bald wurden sie seßhaft und durch
die Bemühungen der Bischöfe von Passau und Salzburg unter
König Stephan d. Hl. (nach dem die ungarische Krone die
„Stephanskrone“ heißt) dem Christentum gewonnen (um 1000).
§39. d) Die Gründung des römischen Reiches deutscher Nation.
Die Ereignisse hatten Otto über den schwachen Punkt seiner
bisherigen Politik belehrt. Daß er nicht zum Ziele gelangt war,
war kein Wunder. Die Naturalwirtschaft läßt eine feste
Staatsordnung an sich nur für kleine Gebiete zu, es sei denn,
daß auf erobertem Boden das Interesse der eigenen Sicher¬
heit Volk und Herrscher zusammenzwingt. Zur Stützung der
Reichseinheit bedurfte Otto einer Macht, die die zur Staats¬
bildung in großem Umfange nötigen Erfordernisse besaß. Das
war allein die Kirche; denn sie hatte eine feste Organisation,
eine durchgebildete Verwaltung und umfaßte das ganze Reich.
Auf sie gründete er nun die Reichseinheit, stattete sie mit Be¬
sitz und wichtigen Rechten, wie dem Markt-, Zoll- und Münz¬
recht, aus, riß sie kraft der sittlichen Überlegenheit seiner
Persönlichkeit aus dem Verfall und bewirkte, daß sie im Gegen¬
satz zu den Bestrebungen des Laienadels sich der unteren Stände
annehmen und die wirtschaftliche Entwickelung der Nation för¬
dern konnte. Durchaus im Dienste des Staats stehend, nahmen