28. Lessing als Sreund.
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Berliner Verleger. Kleists Epos „Cissides und Paches" schließt mit einer
Verherrlichung Friedrichs und preist als glorreich und verehrungswert den
Tod fürs Vaterland; und Lessing richtet in einer prosaischen Ode die Worte
an Gleim: „Singe ihn, deinen König! deinen tapfern, doch menschlichen,
deinen schlauen, doch edeldenkenden Friedrich! Singe ihn an der Spitze 5
seines Heeres, an der Spitze ihm ähnlicher Helden, soweit Menschen den
Göttern ähnlich sein können! Singe ihn im Dampfe der Schlacht, so wie
die Sonne unter den Wolken ihren Glanz, aber nicht ihren Einfluß ver¬
lieret! Singe ihn mit dem Kranze des Sieges, tiefsinnig auf dem Schlacht¬
felde, mit tränendem Auge unter den Leichnamen seiner verewigten Ge- 10
fährten!" Begeisterung für Friedrich, todesmutige Vaterlandsliebe war die
Gesinnung, welche die Leipziger Freunde verband und zu dichterischer Be¬
tätigung anspornte.
Kleist aber war nicht allein derjenige, der vom Freunde empfing und
seines Einflusses sich erfreute. Auch er gab, er teilte mit aus der Fülle 15
seiner edlen Persönlichkeit, aus der Größe seines treuen Herzens. Viel
Liebe hatte Lessing in seinem Leben noch nicht genossen, hier erschloß sich
ihm eine liebevolle Seele, ergoß sich ihm der Reichtum unwandelbarer
Freundschaft. Ist Kleist in dienstlichen Angelegenheiten von Leipzig entfernt,
so bleibt er ihm „auch gewaltig lange weg"; Kleists Dichtungen finden des 20
sonst so scharfen Beurteilers vollen Beifall: „Was sagt der Grenadier von
dem Major?" — schreibt er an Gleim. „Eine Kompanie solcher Poeten,
so will ich den ganzen französischen Witz damit zum Teufel jagen!" Kleist
schwebte Lessings Phantasie als der verwundete Offizier vor, an den die
Literatnrbriefe gerichtet wurden; in „Cissides" und „Philotas" weht der- 25
selbe Geist: ohne Kleist läßt sich kein Tellheim denken.
Furchtbar brach der 12. August 1759 in dieses herrliche Freundschafts¬
verhältnis hinein. Mit den ersten Nachrichten von der unglücklichen Ent¬
scheidung bei Kunersdorf erfuhr Lessing, daß der Freund verwundet und
gefangen war. Er trug Sorge, daß es ihm in der Gefangenschaft nicht an 30
Mitteln fehlte, und schrieb zu diesem Zwecke nach Frankfurt und Danzig.
Seine Mühe war umsonst; nach wenigen Tagen vernimmt er, daß Kleist
seinen Wunden erlegen ist.- Er kann es nicht fassen. Er schreibt an Gleim:
Berlin, den 1. September 1759.
Liebster Freund!
Ich setze in der größten Verwirrung die Feder an. Ich weiß, Sie
werden sich alle Posttage nach einem Briefe von mir umsehen; ich muß
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