Full text: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

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Damit aber in Zukunft allen politischen Streitigkeiten borgebeugt 
werde, fo sollen alle Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reichs bei ihren 
alten Rechten und Freiheiten aller Art kraft gegenwärtigen Vergleichs 
dergestalt bestätigt sein, daß sie von niemand unter irgend einem Vorwand 
eigenmächtig daraus vertrieben werden können oder sollen. Sie sollen 
ohne Widerspruch das Stimmrecht in allen Beratschlagungen und des 
Reiches Angelegenheiten Haben, vornehmlich wenn Gesetze zu machen oder 
auszulegen, Krieg zu erklären, Auflagen zu machen, Soldaten zu werben 
und in die Quatiere zu legen, neue Festungen in dem Gebiete der Stände 
im Namen des Reichs aufzubauen, auch die alten mit Besatzungen zu 
versehen, wie auch wo Friede und Bündnisse zu schließen sind. Der¬ 
gleichen soll in Zukunft nie geschehen, ohne die reichstägige und freie 
Stimme aller Stände, insonderheit sollen alle Stände das freie Recht 
haben, unter sich und mit auswärtigen zu ihrer Sicherheit Bündnisse zu 
schließen, jedoch so, daß sie „nicht gegen Kaiser und Reich, dessen Land¬ 
frieden oder auch gegen diese Übereinkunft laufen und nicht gegen den Eid, 
womit jeder dem Kaiser und Reich verpflichtet ist, geschehen. 
Das F r i e d e n s s e st. Den 19. August 1650, morgens 4 llhr, 
so berichtet der Psarrer Trümper von Döllstedt, sind mir mit unfern 
Adjuvanten und den Hausleuten von Gotha auf unfern Turm gestiegen 
und haben den Morgenfegen musiziert. Gegen 6 Uhr ist mit allen Glocken 
geläutet morden. eine ganze Viertelstunde, V28 Uhr roieder so lange. 
Unterdes hat sich das Volk, Mann und Weib, jung und alt, außer was 
hat beim Geläute bleiben müssen, vor dem Thore versammelt und ist 
das Weibervolk aus einer Seite gestanden und vor demselben der Friede, 
welchen die adeligen Jungfrauen mit einem schönen, grünseidnen Kleide 
ausstaffieret hatten, auf dem Haupte einen schönen, grünen Kranz mit ein¬ 
gemengten gelben Füttern und einen grünen Zweig in der Hand haltend. 
Auf der andern Seite gegen das Dorf standen die Mannspersonen und 
vor denselben die Gerechtigkeit in einem schönen, meißen Hemde, einen 
grünen Kranz auf dem Kopfe, ein bloßes Schmert und gelbe Wage in 
den Händen haltend. Gegen das Feld auf dieser Seite standen die Jung- 
gesellen mit Rohren, etliche mit bloßen Schwertern, vor denselben der 
Mars, als ein Soldate gekleidet und eine Armbrust in den Händen 
tragend. In der Mitte standen die Schüler, Hausleute und Adjuvanten 
neben mir. Da habe ich eine Erinnerung gethan, daß wir oft mit 
thränenffießendeit Augen zu unfern Thoren hätten aus fliehen und räumen 
müssen, und wenn der Sturm vorüber, mit Freuden wieder heimge- 
gangen wären, ungeachtet wir alles verwüstet, zerschlagen und umgekehrt 
gefunden. Also mären mir billig und jetzund, dem lieben Gott zu Ehren, 
vor unser Thor herausgegangen, und löeil er uns durch gnädige Ver¬ 
leihung des edlen, lang ermünschten Friedens von dergleichen Vermüstung, 
Fliehen und Flüchten errettet habe, fo mollten mir auch jetzt zu demselben 
Thore hineingehen mit Danken und zu seinen Vor Höfen mit Loben, und 
wollten dazu unsere Stimmen einmütig erheben und singen: „Allein Gott 
in der Höh sei Ehr." Unter Musizierung dieses Gesätzleins näherten sich 
der Friede und die Gerechtigkeit einander mehr und mehr. Auf die 
Worte: „All Fehd hat nun ein Ende" steckten die mit bloßen Schwertern 
dieselben ein, die mit den Büchsen thaten einige Salven und kehrten sie 
hernach auch um. Dann winkte der Friede einigen Männern, die nahmen 
dem Mars die Armbrust und zerbrachen sie. Friede unb Gerechtigkeit 
traten zusammen unb küßten sich. Daraus wurde der angefangene Ge¬ 
sang fortgefungen, und schickte man sich an zu gehen. Vor den Schülern
	        
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