Full text: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

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fleregt fjatte. Der Papst., sah sich in der Mitte von 14 Erzbischösen. 
225 -oqchösett und 400 Abten; die Menge der niederen Geistlichen und 
Laien keß sich nicht schätzen. Unter freiem Himmel, da kein Gebäude 
diefe Scharen zu sassen vermochte, begann er zu reden: „Ihr wisset, ae- 
liebteste Bruder, wie das Land der Verheißung in die Hände der Un- 
gläubigen gefallen ist, damit es gezüchtiget, nicht aber, daß es gänzlich 
verworfen werde. Diese Wiege unseres Heils wird von den Heiden in 
arger Knechtschaft gehalten. Schon seit Jahrhunderten lastet daraus das 
Joch des gottlosen Sarazenenvolkes. Das Volk Gottes ist erniedrigt und 
erduldet Unwürdiges, die Fürstin der Landschaften, die Stadt Gottes, 
zahlet Zins. Der Tempel, aus welchem der Herr die Käufer und Ver- 
käufer austrieb, ist eine Wohnung des Teufels geworden. Die geweihten 
Stätten sind Viehställe geworden; die Kinder der Frommen werden von 
ihren Eltern gerissen und müssen entweder Gott lästern oder im Glauben 
beharrend den Märtyrertod sterben. Aber wehe uns. daß wir stille sitzen 
und ruhig zuschauen den Missethaten und der Schmach der Stadt Gottes. 
Darum auf, meine Geliebtesten, waffnet euch! Ein jeglicher umgürte seine 
Lenden mit dem Schwerte, zu Helsen unseren Brüdern; denn besser ist 
sterben im Kampfe für unser Volk, als länger den Greuel duldeu. Wer¬ 
den Eifer des Herrn in sich fühlet, der schließe sich uns an. Lastet uns 
ausziehen, und der Herr wird mit uns sein. Im Namen des barmherzigen 
Gottes und der Apostel Petrus und Paulus verkündigen wir allen, so 
die Waffen wider die Ungläubigen ergreifen, vollkommenen Ablaß ihrer 
Sünden, und denen, so im heiligen Streite sallen werden, verheißen wir 
den Lohn des ewigen Lebens, nehmen auch jeglichen Streiter des Herrn 
als wahrhaften Sohn der Kirche unter unfern besonderen Schutz, also daß 
bei Strafe des Bannes niemand an Leib oder Gut ihn kränken darf." 
Schon während er sprach, wurde er von stürmischem Zuruf unter- 
brochen. Nachdem er geendet, erscholl von Tausenden und aber Taufen- 
den wiederholt das Losungswort des heiligen Krieges: „Gott will es! 
Gott will es!" Zuerst trat Ademar, Bischof von Puy, vor den heiligen 
Vater, kniete nieder und bat um das Zeichen des Kreuzes, das ihm auf 
die Schulter geheftet ward; ihm folgte Bischof Wilhelm von Orange, 
dann die Menge der übrigen. Als hernach die Anwesenden heimkehrten 
und des Papstes Verheißung verkündeten, da entstand eine allgemeine 
Bewegung in allem Volke. Es schieden Gatten von Gatten, Eltern von 
Kindern, und kein Band der Liebe fesselte stark genug, um die Begeisterung 
zu hemmen; Mönche verließen die Klöster, Büßer ihre einsamen Zellen; 
fein Stand, kein Alter wollte ausgeschlossen sein von der Teilnahme an 
dem großen Beginnen. 
Peter von A m i e n s. Am schnellsten zeigten sich die Massen 
des niederen Volkes bereit, das Kreuz zu nehmen, weil sie durch Kriegs- 
unruhen, Hungersnot und Krankheiten schwer gelitten hatten und den 
Kreuzzug wie eine Erlösung aus Kummer und Elend, wie ein sicheres 
Mittel zur Erlangung von irdischem Glück und himmlischer Seligkeit be- 
trachteten. An ihrer Spitze erschienen begeisterte Prediger, die mit hin¬ 
reißender Beredsamkeit zum Kampfe für den Heiland aufriefen, keiner aber 
mit größerem Erfolge als Peter von Amiens. Mit fuukeludem Auge, 
durch Entbehrungen abgemagert und gebräunt von der südlichen Sonne, 
trat er vor die Bauern von Mittel- und Nordfrankreich und machte 
solchen Eindruck auf ihre erregten Sinne, daß sie scharenweise ihm wie 
einem Propheten des Herrn folgten. Schon während des Winters von 
1095 auf 1096 sammelte er ein ganzes Heer, freilich ohne Manneszucht
	        
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