Full text: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

— 85 — 
Nürnberg. Ulm halten städtische Pflasterer und lassen sich die Straßen- 
besserung etwas tosten. Ost wurden die Hauptstraßen nur durch Holz- 
wellen, Sand und kleine Steine gebessert; doch muß der Weg oft schwierig 
gewesen sein: es gab für die Domherren eine gesetzliche Entschuldigung, 
beim Konvent zu fehlen, wenn der Straßenschmutz zu arg war. — Aus 
den Straßeu sind die Brunnen häufig, es sind einfache Ziehbrunnen mit 
Rolle, Kette und Doppeleimer; wird der eine herausgewunden, so fährt 
der andere zur Tiefe; wo gutes Wasser fehlt, sind die Städte seit ältester 
Zeit bemüht gewesen, reine Quellen und Bäche in die Stadt zu leiten. 
Denn an reichlichem Wasser hing das Gedeihen der Stadt. Für das 
Vieh und gegen Brandunglück, zum Schutz gegen außen, vor allem abe 
für städtische Gewerbe war es unentbehrlicher als jetzt. Ohne Stadt- 
mühlen war nicht auszukommen, die Gerber, Weber, Färber. Wollspinner 
siedelten am Wasser. Deshalb wurde der Fluß bei Anlage und Ver¬ 
größerung der Stadt in vielen Armen zwischen den Straßen und um die 
Mauer geleitet und gern die hintere Seite der Höfe an das Wasser ge- 
führt. Auf den Plätzen der Stadt standen bei lausenden Brnnnen Schöpf¬ 
tröge von Stein und Metall, und an gelegenen Stellen gefüllte Wasser- 
bottiche für den Fall einer Feuersgefahr. 
Sehr unähnlich moderner Bauweise sind die Straßeu der Stadt, sie 
ziehen sich in der Mehrzahl enge gewunden dahin: die Häuser sind oft 
klein, vou Fachwerk gebaut, mit Stroh gedeckt, stehen mit dem Giebel 
nnch der Straße, in der Regel nicht dicht neben einander; die Eingänge 
sind häufig mit einer Halbthür versehen, über der Thür hängt an einem 
Schild das gemalte Zeichen des Hauses, und oft wird der Besitzer nach 
seinem Hausbilde genannt. Die Häuserlinie läuft nicht glatt und senkrecht, 
ein Oberstock oder zwei — die Gadern — springen über das untere 
Stockwerk vor. der zweite wieder über den ersten, und darin sind wieder 
Erker nnd Söller. An dem Erdgeschoß der Häuser aber sind ans der 
Straße^ Schuppen, Vorkäme, Bilden angebaut, auch die Hauskeller öffnen 
sich auf die Straße, und die Kellerhälfe ragen bis in den Fahriveg. 
Zwischen den kleineren Häusern stehen einzelne größere Stein bauten im 
Besitz der Stadt oder wohlhabender Bürger; sie sind aber selten, ihre 
feuerfesten Gewölbe nnd der Steinzierat ihrer Front sind der Stolz der 
Besitzer. In den Städten der Niedersachsen, Thüringer und Franken ist 
alter Brauch. daß die Straßenwand der vorgerückten obern Stockwerke 
durch Pfeiler gestützt wird; dann entsteht zwischen dem eingerückten Unter- 
stock und den Pfeilern ein gedeckter Gang, die Löben oder Lauben, welche 
an Hauptstraßen und am Markte geschützten Durchgang gestatten. 
Zwischen Herden und Strohdächern erheben sich die zahlreichen, oft 
großartigen Kirchen, riesige kunstvolle Bauten, in denen die Bürgerschaft 
mit Stolz zeigt, was Geld und Arbeit in ihr vermag. Unter den alten 
Kayern der Sachsen, Franken. Hohenstaufen sind die großen Paläste der 
Stadtheiligen mit edlen Kuppeln, starken Säulenreihen und hohem Mittel- 
schiff aufgerichtet worden; jetzt aber baut nach verändertem Geschmack die 
Stadt ihren Dom mit Strebepfeilern nnd ungeheuren Fenstern, die durch 
Glasgemalde geschlossen werden, mit hohen Spitztürmen, deren kunstvolle 
Gliederung und durchbrochene Steinmetzarbeit über alle andern Türme 
gegen die Wolken ragen soll. Es ist ein riesiges Werk, berechnet auf die 
ferneren Beiträge vieler Geschlechter. — 
Ein Markttag. Der Morgen wird den Bürgern durch Geläut 
verkündet, und die Glocken der zahlreichen Gotteshäuser tönen fast den 
ganzen Tag hindurch; bald mahnt die eine, bald die andre zum Gebet
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.