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Römer.
Bestimmung, daß beide Augusti sich noch zu Lebzeiten „Nachfolger" (Cäsaren)
ernennen und dann nach 20 jähriger Regierung freiwillig abdanken sollten,
war zu gekünstelt, als daß sie hätte Bestand haben können. So führte
seine freiwillige Thronentsagung zu schweren Kämpfen, aus denen schließlich
Konstantin der Große (323—337) nochmals als Alleinherrscher
hervorging. Er vollendete die von Diocletian begonnene Ausbildung der
unumschränkten Regierungsform und verlegte hierauf den Herrschersitz
nach Konstantinopel' am Bosporus, also auf der Grenzscheide zwischen
Europa und Asien. Dies war das äußere Zeichen dafür, daß auch der
kraftvolle Römerstamm unaufhaltsam und unrettbar in der absterbenden
griechisch-morgenländischen Kulturwelt aufgegangen war. Rom blieb
zwar noch eine Zeitlang Hauptort des sog. weströmischen Reiches, aber
seine Bedeutung als beherrschender Mittelpunkt der Mittelmeerländer war
unwiederbringlich dahin. Sogar die Bedeutung des Namens „Rom" war
von der Stadt auf das ganze Reich übergegangen; das ersieht man
daraus, daß fortan die byzantinischen Kaiser sich nach wie vor
„römische" Kaiser nannten, obwohl sie in späterer Zeit mit der Stadt
Rom selbst gar nichts mehr zu tun hatten. Ja, Rom hätte sogar seine
Bedeutung für das Abendland verloren; denn bald darauf siedelte die
weströmische Regierung nach Wavenna über, das an der Ostküste, also
der griechisch-orientalischen Kulturwelt näher lag, während Rom am
unteren Tiber mehr zur Westhülfte der Mittelmeerländer gehörte. So
hatte sich die alte Prophezeiung, daß das „besiegte Griechenland das
siegreiche Rom überwinden werde" — natürlich im geistigen Sinne ge-
meint —, vollauf erfüllt. Ja,JRom hätte vielleicht das Schicksal Ninives
und Babels geteilt, wenn es nicht der Mittelpunkt einer ganz anderen
Welt geworden wäre, nämlich der christlichen. Die Bedeutung dieser
neuen Weltanschauung erkannte auch bereits Konstantin, indem er durch
313 das Sdikt von Mailand dem Christentum Anerkennung und Gleich-
Berechtigung zuerkannte. Damit war die eigentliche römische Geschichte
zu Ende.
Teilung des Weiches.
Der Tod Konstantins führte zunächst wieder Thronstreitigkeiten
herbei, während deren Kaiser Julian der Abtrünnige (361—363) das
Heidentum wiederherzustellen suchte; allerdings erfolglos. Nach einiger
Zeit trat abermals ein Alleinherrscher auf, nämlich Weodostus (379—395).;
Dieser kräftige Kaiser kämpfte nochmals tapfer gegen die immer über-
mächtiger werdenden Germanen; aber schon er mußte daran denken,
sich mit diesen „Herren der Zukunft" auf friedlichem Wege zu einigen,