Full text: Lehrbuch der Geschichte für realistische Mittelschulen

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Zeitalter der Revolution. 
sich in Deutschland und Österreich ganz verschieden: während das deutsche 
Volk nach politischer Einigung trachtete, strebten die unter dem Habsburger 
Szepter vereinigten Nationalitäten teilweise nach Trennung. 
In diese einander vielfach widersprechenden Wünsche und Leiden- 
schasten schlug die Nachricht von der Pariser Februarrevolution als 
1848 zündender Funke. In Berlin und Wien bewirkten die Märzunruhen 
schwere Kämpfe, die in Berlin durch General W ran gel, in Wien durch 
den Fürsten Windischgrätz nur mit Mühe unterdrückt werden konnten. 
Angesichts der dabei zutage tretenden nationalen Strömungen, die 
dem Zeitalter ganz neue Aufgaben stellten, jabett nun die Regierungen 
wenigstens den konstitutionellen Wünschen der Völker nach. Metternich 
1850 wurde entlassen. Greußen erhielt eine Werfaffnng mit Zweikammer- 
M-tem; Österreich gewährte seinen verschiedenen Stämmen Teilnahme 
an der Regierung (vorübergehend 1849, endgültig 1861). So war um 
die Mitte des Jahrhunderts die konstitutionelle Staatsform mit Aus- 
nähme des absolutistischen Ostens (vor allem Rußlands) die herrschende 
in Europa. Freilich waren die Wünsche der aufgeregten Volksmassen 
vielerorts damit noch nicht zufrieden. Selbst da, wo schon Verfassungen 
bestanden, strebte man nach Erweiterung der Volksrechte: Preßfreiheit, 
Öffentlichkeit der Rechtspflege, Schwurgerichte, Volksbewaffnung u. dgl. 
Das führte in den konstitutionellen deutschen Mittelstaaten ebenfalls zu 
Unruhen, von denen auch 
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Bayern unter Ludwig I. (1825—1848) 
nicht ganz verschont blieb, obwohl gerade dieses Land seinem Herrscher 
viel verdankte. Zwei Züge sind es vor allem, die an dem Charakter- 
bild des edlen Fürsten hervorstechen: 1. seine kerndeutsche Gesinnung 
und 2. seine ideale Begeisterung für die Kunst. 
Zu 1. Schon als 19jähriger Prinz äußerte er bei der Siegesfeier 
der Schlacht von Austerlitz in Straßburg, seinem Geburtsort: „Das 
sollte mir die teuerste Siegesseier sein, wenn die Stadt, wo ich geboren 
bin, wieder eine deutsche Stadt würde." Diese Gesinnung bewahrte und 
offenbarte der Kronprinz auch zu einer Zeit, wo es unter Umständen gefähr- 
lich werden konnte, dem allgewaltigen Korsen sich zu widersetzen. Obwohl 
durch Familienbande an Napoleon geknüpft, bekämpfte Ludwig die französische 
Politik Montgelas' und nicht gering war sein Anteil an dem Zustande- 
kommen lies Vertrages von Ried. Mit Jubel folgte er den Siegen der 
Freiheitskämpfe und erbaute später als König ihnen zu Ehren die Be¬ 
freiung s halle bei Welheim, die mit der beherzigenswerten Inschrift 
geschmückt ist: „Mögen die Deutschen nie vergessen, was den Befreiungskampf 
notwendig machte und wodurch sie gesiegt." Den gleichen nationalen Ge- 
danken sollten die herrliche Walhalla bei Regensburg, ein Ehrentempel
	        
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