V.
Das Zeitalter des Absolutismus. 1648—1789.
§ 44.
3ur Einleitung und Orientierung.
1. Das Jahr 1648 hatte nach den dreißig Jahren der Verwüstung
Deutschland den lang ersehnten Frieden gebracht; das Zeitalter der Religions-
kriege war beendet. Die christliche Welt hatte mit unsäglichen Greueln
und furchtbaren Opfern die einfache Wahrheit erkämpfen müssen, daß die
Einheit der Kirche eine Unmöglichkeit sei. Mit der Anerkennung dieser
Tatsache in dem Westfälischen Friedensschlüsse beginnt ein neues Zeit-
alter mit neuen Anschauungen und neuen Ansprüchen.
Staat und Kirche waren eng verbunden gewesen; das kirchliche In-
teresse deckte sich mit dem staatlichen. Nach dieser Anschauung handelten
die Fürsten im Reformationszeitalter, die katholischen wie die evangelischen.
Glaube und Lehre standen unter staatlichen Gesetzen; das ganze Leben
trug geistlichen Charakter; äußere und innere Politik wurden von der
Religion bestimmt und geleitet.
Nun hatte die Geschichte, die große Lehrmeisterin der Völker, die
Menschen klug gemacht. Welch namenloses Elend hatte der Kampf um
die Religion gebracht, welch furchtbares Unglück die religiöse Unduldsamkeit!
Aber ein Fortschritt liegt in der Erkenntnis, daß die Religion nicht allein
die bewegende Macht im Staaten- und Völkerleben sein darf, wenn es
sich um Glück und Wohl des Ganzen wie des einzelnen handelt. Zwar
bleiben die religiösen Ideen nach wie vor mächtig, aber sie wirken in der
Stille; die weltbewegende Macht wird die Politik. Und wie
Philosophie und Naturwissenschaft dem menschlichen Geiste neue Ideen
Kauffmann, Berndt und Tomuschat, Geschichtsbetrachtungen. II. 1