Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

120 Das Zeitalter des Absolutismus 
den Völkern Europas da. Einem jungen mageren Körper mit der ganzen 
Eßlust dieser Physischen Entwicklungsstufe vergleicht ihn der dänische 
Minister Graf Bernstorff. Da blitzt plötzlich aus seinem Auge der hehre 
Mut kühnen Heldentums; da lodert auf das stolze Bewußtsein markiger 
Kraft. Die Glieder werden gelenk und beweglich, und es weitet und dehnt 
sich unter eines Großen Hand der brandenbnrgisch-preußische Staat zur 
europäischen Großmacht. Wozu der großväterlichen Krone Glanz, wozu 
des Vaters rastlos unermüdliche Arbeit ihn verpflichtete, diesem Staat mit 
der Krone und der Kraft auch die ihm gebührende Machtstellung zu 
geben, — Friedrich II. hat, es erkannt und zur Vollendung gebracht. 
Er ist der Schöpfer preußischer Großmachtstellung. 
Bemerkenswert ist der Wandel, den das Urteil über Friedrich durch- 
gemacht hat. Unzerstörbar war die Liebe und Verehrung des preußischen 
Volkes zu seinem Könige, dem von Sagen und Geschichten umwobenen Lieb- 
linge der Nation, „dem Einzigen", mögen auch gewisse Kreise, „die Lumpen- 
Hunde", wie Goethe sie nennt, über den großen Mann „räsonniert", 
mögen auch die strengen Maßnahmen in der Steuerverwaltung manchen ver- 
bittert, mag auch die kalte Menschenverachtung, der große, harte Blick des 
vereinsamten „Alten von Sanssouci" wie ein schwerer Druck auf seinem 
Volke gelastet haben. Mirabeau wies zuerst auf die wunden Stellen des 
Friederizianischen Staates hin, und dann warf der Korse, wie er für eine 
Zeitlang Friedrichs und des unbesieglichen Preußenheeres Ruhm in den 
Schatten drängte, den Staat des großen Königs elend und vernichtet in 
den Staub. Während ein Rückert in seinen „Geharnischten Sonetten" 
immer wieder Friedrich als treuen Eckart, als Mahner und grimmen 
Wegführer zu Rache und Sieg in das Gewissen des preußischen Volkes 
hineinstellte, sahen Stein und E. M. Arndt im Zusammenbruch des 
Staates das Gericht über ihn. ..Für seine Zeit", so schreibt Arndt, „war 
Friedrich der König, der Held, der Weise, der Große und Einzige. Wir 
Deutschen, wenn wir uns als Volk ansehen, haben uns dieses Königs 
wenig zu erfreuen gehabt; ja, keiner hat uns so sehr geschadet, nicht nur 
scheinbar, sondern auch wirklich." „Gott hatte sein Herz von dem König 
gewendet, und es war verstockt und erblindet und erkannte nie die Treue, 
den Glauben und den Tiefsinn seines Volkes, sondern buhlte mit fremder 
Eitelkeit und Verruchtheit. Er stand da, ein großes Zeichen der nichtigen 
Zeit, wie ein unseliger, von Gott verlassener Geist in der kalten Einsam- 
feit seiner Hölle. Aber verflucht ist, wer von seinem Volke lasset, und 
elendiglich gerät das Werk des Mannes, der keine Liebe hat." Ein 
hartes und nur aus der schweren Not der Zeit heraus begreifbares 
Urteil, dem wir kein besseres, denn das Wort der Königin Luise ent- 
gegensetzen dürfen: „Dem Ruhme Friedrichs war es gestattet, uns über
	        
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