Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

Die Begründung der preußischen Großmacht durch Friedrich II. 133 
soll „alles, was seine Bewohner zur Notdurft, zur Bequemlichkeit und 
zur Zierde des Lebens brauchen, selber herstellen und liefern mit Aus- 
nähme dessen, was ihm die Ungunst des Klimas versagt"; es soll ferner 
den Überschuß seiner Fabrikate und Erzeugnisse mit möglichstem Vorteil 
im Auslande absetzen. 
a) So widmet der König seine Fürsorge der Landwirtschaft. 
Der Boden wird ertragfähiger gemacht; die königlichen Domänen sollen 
Musterwirtschaften werden. Der Kartoffelbau wird begonnen, die Hopfen- 
Pflanzung so gefördert, daß Preußen seinen Bedarf im Jnlande decken 
kann. Gegen die Sandwüsten der Mark kämpft er durch Anbau von 
Luzerne und Lupine, durch Aufforstung mit Kiefern. Die Einfuhr fpa- 
nischer Merinoböcke soll die Schafzucht heben. Die Stallfütterung wird 
empfohlen. Der Staat legt große Getreidemagazine an, während er das 
ausländische Korn durch hohe Zölle fernhält. So ist es ihm möglich, 
dem Bauern einen nicht zu niedrigen Preis, dem Arbeiter andererseits 
billiges Brot zu bieten und den Getreidepreis durch Öffnen und Schließen 
der Magazine auf stetiger Höhe zu halten; so kann das Land auch Zeiten 
der Mißernte überdauern und Hungersnöte überstehen. Die Verwüstungen 
des großen Krieges werden durch reichliche Gaben an Saatkorn, Pferden 
und Geld (über 40 Millionen Taler) gutzumachen gesucht. 
Es gilt aber nicht nur Erhaltung, sondern Vermehrung des 
Bauernstandes. Durch Entwässerung des Oder-, des Netze- und Warthe- 
bruches gewinnt der König neue Provinzen im Frieden; das zum größten 
Teil verödet liegende Westpreußen harrt der Bebauer. Überall weiß er sie 
herzuholen, Pfälzer für den Garten- und Obstbau, Ostfriesen für Vieh- 
zucht und Milchwirtschaft, Sachsen, Mecklenburger, Schwaben. Deutsch- 
polen und Deutschböhmen zum Ackerbau. Große Erleichterungen (Freiheit 
von Wehr- und Frondienst, Freijahre sür Steuern) locken an, und so be- 
siedelt er schon vor 1756 in Pommern 90, im Oderbruch 50, in der 
Priegnitz und sonst in der Mark 96 neue Dörfer; 300 000 Kolonisten 
in 900 Dörfern bevölkern Westpreußen und den Netzebezirk, wo unter der 
Leitung Brenkenhoffs (Netze) und Domhardts (Westpreußen) kolonisiert 
und germanisiert wird (keine Polen, keine Judenl)1) 
Das Los des Bauern, der ja namentlich in den östlichen Provinzen 
unter dem Joch der Leibeigenschaft, der Gutsuntertänigkeit schmachtete, 
erträglich zu machen, ist aus volkswirtschaftlichen und militärpolitischen 
x) Zu dieser heute so wichtigen Frage der Ostmarkenpolitik vgl. auch Abschnitt 4 
dieses Paragraphen. Ich verweise auf Freytags schöne Darstellung (im Ergänzungs¬ 
heft zum Seminarlesebuch) und auf das ausgezeichnete Werk von Ed. Schmidt, Ge- 
schichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft (Bromberg 1904).
	        
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