Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

Die Ursachen, der Verlauf und die Folgen der französischen Revolution 177 
so daß es wie ein gewaltiger Schrei hinaushallte nach Freiheit im geistigen, 
sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben. 
„Weh denen, die dem ewig Blinden 
Des Lichtes Himmelsfackel leihn. 
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden 
Und äschert Städt' und Länder ein." 
2. Die materiellen Ursachen der französischen Revolution. 
a) Die schlechte Regierung. Schon die fortwährenden Kriege 
und die wahnsinnige Verschwendung und Baulust L u d w i g s XIV. hatten 
den französischen Staat an den Rand des Abgrunds gebracht. Während 
200 000—300000 Menschen alljährlich aus Mangel an Nahrung zugrunde 
gingen, verwandte der König auf den Bau eines Prunkschlosses 88 Millionen. 
So hinterließ er seinem Nachfolger eine leere Kasse, eine Staatsschuld 
von über 2 Milliarden Livres und ein stets wachsendes Defizit. Auch 
Philipp von Orleans, der für den unmündigen Ludwig XV. die 
Regentschaft führte (1715—1723), war, wie in jener üppig-leichtfertigen 
Zeit natürlich, ein sittenloser und verschwenderischer Mensch, der durch 
gewagte Finanzgeschäfte schließlich einen Staatsbankerott herbeiführte. Der 
Schotte John Law*) wollte ihm behilflich sein, den zerrütteten Staats- 
haushalt zu ordnen. Er gründete zu diesem Zwecke die königliche Bank 
und eine Aktiengesellschaft für die Kolonien, die Compagnie des Indes. 
Aus den Geldern der indischen Kompagnie gewährte Law dem Staate 
einen Vorschuß von 1500 Millionen zu 3°/0; hatte der Staat bisher 
jährlich 80 Millionen Zinsen bezahlt, so waren jetzt nur 45 Millionen 
nötig; mithin ersparte er 35 Millionen. Mit diesen 1500 Millionen 
wurden nun die Staatsgläubiger bezahlt. So floß das Aktienkapital aus 
der Kasse der Compagnie des Indes durch die Staatskasse in die Taschen 
der Staatsgläubiger. — Woher aber kam dies Kapital überhaupt und wo 
blieb es nach seiner Auszahlung? Dieselbe Summe, die den Staats- 
gläubigem vom Staate zurückgezahlt wurde, zahlten sie gleichzeitig an die 
Compagnie des Indes wieder ein, indem sie deren Aktien (300000 Stück 
M je 5000 Livres = 1500 Millionen) kauften. Es war also in Wahr- 
heit nur ein Umtausch der Staatsschuldscheine in Kolonialaktien. Diesem 
seinem neuen Schuldner überwies der Staat den größten Teil seiner Ein- 
künfte, und es war sehr wohl möglich, daß die Gesellschaft mit Hilfe dieses 
Gewinnes und der zu erwartenden überseeischen Geschäfte ihren Teilhabern 
größere Gewinnanteile zahlen konnte, als sie bisher erhalten hatten. Gleich- 
*) Nach Maier, Soziale Bewegungen, S. 84 ff. 
Kauffmann. Berndt und Tomuschat, Geschichtsbetrachtungen. II. 12
	        
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