Vorgeschichte des brandenburgisch-preußischen Staates von 1134—1640 53
solche Herrscher sehr begehrenswert war, die kein persönliches Interesse
an dem Lande hatten und ihre Stellung nur dazu benutzten, sich zu be-
reichern.
So mußte die Mark unter den Bayern und namentlich unter den
Luxemburgern in tiefen Verfall geraten. Indem des Fürsten Rechte ver-
geben wurden und die einzelnen Stände sich von allen Verpflichtungen
gegen die fürstliche Gewalt losmachten, mußten jene Zustände heilloser Ver-
wirrung entstehen, die zur Selbsthilfe und zum eigenmächtigen Auf-
treten der Stände, besonders der Adelsgeschlechter und der Städte, führten,
so daß schließlich eine Regierungsgewalt im Lande nicht mehr anerkannt
wurde. In einem solchen Zustande übernahmen die Hohenzollern die Re-
gierung des brandenburgischen Kurfürstentums.
2. Tas Aufblühen der Mark unter den Hohenzollern
1415—1619 ist in langsamer, stetiger Entwicklung vor sich gegangen.
Ein eigenartiges Streben hat die Hohenzollernfürsten erfüllt, ihr Kur-
fürstentum nach außen zu erweitern und im Innern zu festigen. Fast alt-
herkömmlich scheint sich in der Herrscherfamilie der Grundsatz fortzupflanzen,
daß jeder Kurfürst die Pflicht habe, das Land zum größeren Wachstum
und Wohlstande zu führen und die kurfürstliche Macht zu erhöhen.
a) Die Vergrößerung des Staatsgebietes zeigt schon dieses
gleichmäßige Vorwärtsstreben. Wenn das Staatsgebiet im Jahre 1415
ungefähr 370 Quadratmeilen mit etwa 170 000 Einwohnern umfaßte, so
war es bei dem Tode Johann Sigismunds 1619 auf 1472 Quadrat¬
meilen mit ungefähr 900 000 Einwohnern angewachsen. Denn nachdem
Friedrich I. (1420) und Friedrich II. (1440) Teile der Uckermark er-
worben hatten, brachte der letztere Wernigerode (1450), die Neumark
(1455) und Kottbus, Peitz, Teupitz und Bärwalde (1462) an Branden¬
burg. Albrecht Achilles hat das Kurfürstentum (1482) durch Krossen,
Züllichan, Sommerfeld uud Bobersberg erweitert, Johann Cicero (1490) durch
Zossen, Joachim I. (1524) durch Ruppin. Unter Joachim IT. und Johann
von Küstrin kamen (1555) Beeskow und Storkow, unter Johann Sigis-
mund (1614) Kleve, Mark, Ravensberg und (1618) das Herzogtum
Preußen an Brandenburg. Mehrfach suchten die Kurfürsten auch für die
fernere Zukunft die Vergrößerung und das Wachtstum ihres Staates
sicher zu stellen und so auch ihre Nachfolger und Nachkommen zu einer
stetig fortschreitenden Machtentwicklung zu verpflichten. So erwarb Joachim I.
die Erbanwartschaft auf Schleswig-Holstein (1517) uud erlangte im Grim-
nitzer Vertrage (1529) die Anerkennung der brandenburgischen Erbschafts-
anspräche auf Pommern. Welche Bedeutung ferner der Erbvertrag