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folgten dem Rufe. Namentlich zeichneten sich die evangelischen Diakonissen
und die katholischen barmherzigen Schwestern im Dienste der Barmher-
zigkeit aus.
_ Auch daheim wurde fleißig für die Verwundeten gearbeitet. Fast jede
Stadt hatte ihren Frauenverein, der nicht nur Verbandzeug und wärmende
Kleidung, sondern auch Schinken, Wurst, Wein, Zigarren, Tabak und Kaffee
nach den Lazaretten schickte. Welche Freude bei den Kriegern, wenn diese
„Liebesgaben" zur Verteilung kamen!
k) P)eimhebr. Zehn Monate hatte der Krieg gedauert. Ruhmgekrönt
kehrten die Sieger in die Heimat zurück, wo man sie jubelnd begrüßte. Mit
freudigem Stolz beging man überall Siegesfeiern; aber auch viele Tränen
wurden üergoffen um die Tapferen, die ihr Leben für das Vaterland gelassen
hatten und nun in fremder Erde ruhten. Als bleibende Erinnerung art jene
großen Tage erhebt sich feit bem Jahre 1883 auf bem Niederwald bei
Rüdesheim das Nationaldenkmal, „den Gefallenen zum Gedächtnis, den
Lebenden zur Anerkennung, den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung."
XIX. Das neue Deutsche Reich.
89. Kaifer Milkelm I. 1871—1888.
1. Die neue Reicbsverfaffung. Kaiser Wilhelm hatte in seiner Pro¬
klamation gelobt, „allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein in
ben Werken bes Friebens, auf bem Gebiete nationaler Wohlfahrt,
Freiheit und ^Gesittung." Diesem Worte getreu, war es nach seiner
Rückkehr aus Frankreich seine erste Sorge, dem neuen Bundesstaat im Ein¬
verständnis mit der Volksvertretung eine Verfassung zu geben. Am 21. März
1871 wurde der erste Deutsche Reichstag in Berlin eröffnet. Er nahm den
Verfassungsentwurf im wesentlichen unverändert an und stimmte zu/ daß
Elsaß-Lothringen künftig als „Deutsches Reichsland" von dem Kaiser im
Auftrag des Reiches regiert werden solle. Von der französischen Kriegsent-
Schädigung wurden 120 Millionen Mark als,Kriegsschatz' im Juliusturm bei
Spandau aufbewahrt. Außerdem erhielten alle, die durch den Krieg an Hab
und Gut geschädigt worden waren, auch die Elsaß-Lothringer, volle Entschädi-
guug und die invalid gewordenen Krieger sowie die Witwen und Waisen der
Gefallenen reichliche Unterstützung.
Zu dem Deutschen Reiche gehören 25 Staaten und das Reichsland Elsaß-
Lothringen, das von einem Statthalter regiert wird. Art der Spitze des
Bundesstaates steht als „Deutscher Kaiser" der König von Preußen, in
dessen Familie die Kaiserwürde erblich ist. Der Kaiser ist der oberste Kriegs¬
herr im Frieden und im Kriege; er vertritt das Reich nach außen und
innen und entscheidet mit Zustimmung des Bundesrats über Krieg und Frieden.