134 37. Die Städte im Mittelalter.
mit Reichstalern, Goldgulden, französischen und niederländischen Dicken und anderen
Münzen. Schließlich hatten alle Landesherren und alle Städte, die Münzrecht besaßen,
eigene Münzen. Machte jemand eine Reise, so mußte er wechseln, so oft er in
Städte oder Gebiete kam, die anderes Geld hatten. Es gab darum in jeder Stadt
und an Orten, wo viel Verkehr war, Wechsler, die aus dem Umtausche des
Geldes ein Geschäft machten. Durch den Gebrauch des Geldes wurden Handel
und Handwerk selbständiger.
4. Die Bürgerschaft. Aus Kaufleuten und Handwerkern ent-
wickelte sich in den Städten ein neuer Stand, der Bürg erstand.
Hier konnte auch der unfreie Bauer, der Hörige vom Lande, als freier
Mann seinen Lebensunterhalt finden. Wer Jahr und Tag, d. i. 1 Jahr,
3 Monate und 6 Tage, in der Stadt gewesen war, konnte nicht mehr
zurückgefordert werden: die Stadtluft hatte ihn frei gemacht. Diese
Freiheit, sowie andere Vorrechte und Borteile lockten Hörige und unfreie
Leute von den Gutshöfen und Dörfern hinweg in die Stadt. Heimlich
oder gegen Zahlung von Lösegeld verließen sie ihren Grundherrn und
söhnten sich ob der gewonnenen persönlichen Freiheit aus mit dem
Wohnen hinter Mauern und in engen Gassen. So wuchsen die Städte,
und manche Herrenhöfe und kleine Ortschaften wurden leer. Wie die
Händler und Kaufleute am Markte zusammenwohnten, so siedelten sich
auch die Bewohner, die gleiches oder ähnliches Handwerk trieben, gern
nebeneinander an. So entstanden die Straßen und Gassen, die noch
heute den Namen eines Handwerks tragen, wie Schmiede-, Seilwinder-,
Knochenhauer-, Bäckerstraße usw. Ließen sich Juden in der Stadt
nieder, so mußten auch sie in besondern Gassen wohnen. Die Genossen
des gleichen Gewerbes vereinigten sich zu Zünften, die in den Städten
Niedersachsens durchweg als Gilden bezeichnet werden. Es gab in
jeder Stadt eine Zunft oder Gilde der Kaufleute, Schmiede, Bäcker,
Schuhmacher, Knochenhauer, Schräder oder Schneider u. a. Jede Gilde
wollte ihr Gewerbe fördern und schützen; fast jede baute ihr eigenes
Gilde- oder Amthaus. Daselbst boten die Gildebrüder ihre Waren zum
Verkauf aus, hielten ihre Versammlungen, berieten über die Aufnahme
neuer Mitglieder, zahlten Beiträge für ihre Kassen, setzten die Preise
der Waren fest und besprachen Angelegenheiten der Zunft oder der
Stadt. Sie wählten unter sich einen Zunft- oder Gildemeister zum Vor-
steher ihrer Brüderschaft und führten als ihr Zeichen eine Fahne mit ent-
sprechendem Wappen. So hob sich das Handwerk, und die Gilden gewannen
an Ansehn. Auch manche Adelige und freie Grundbesitzer aus umliegenden
Orten zogen der Sicherheit und der Geselligkeit wegen in die Stadt.
Sie nannten sich wohl nach den Dörfern oder Höfen, von denen sie
gekommen waren, (von Mengershausen, von Schnehen, von Roden u. a.)
und bildeten mit den vornehmsten Kaufleuten, die in der Stadt ansässig
waren, einen besonderen Stand, der sich über die Gilden erhob: den
Stand der Patrizier. Die patrizischen Familien werden auch als Stadt-
geschlechter bezeichnet. Sie bildeten eine Art städtischen Adel, der die
Herrschaft in der Stadt an sich zu bringen suchte und darüber mit den
Gilden und Zünften vielfach in harte Kämpfe geriet. — Je mehr sich
die Bevölkerung in der Stadt mehrte, desto mehr stellte sich auch das
Bedürfnis heraus, die einzelnen Bürger, die bis dahin immer nur