342 98. Der Befreiungskrieg von 1813—1814.
es nur soviel zurück, als für eine Verbindung von Ostpreußen und
Schlesien notwendig sei. Am 16. März überreichte Hardenberg dem
französischen Gesandten die Kriegserklärung, und am 17. März erließ
der König den „Aufruf an mein Volk", in dem er alle Stände zu
den Waffen rief. „Es ist der letzte entscheidende Kampf", hieß es
darin, „den wir bestehen für unser Dasein, unsere Unabhängigkeit, unfern
Wohlstand. Keinen andern Ausweg gibt es, als einen ehrenvollen
Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet ihr
getrost entgegengehen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht
zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen: Gott
und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg ver-
leihen und mit ihm einen sichern, ruhmreichen Frieden und die Wiederkehr
einer glückliche» Zeit". An demselben Tage verkündigte der König die
Einrichtung der Landwehr und des Landsturmes; für die Tapferen
hatte er am 10. März, dem Geburtstage der Königin Luise, den Orden
„des Eisernen Kreuzes" gestiftet.
b. Die Erhebung. Nun erfolgte eine begeisterte Erhebung des
Volkes „mit Gott für König und Vaterland". Freiwillige strömten in
großen Scharen zu den Fahnen. Die Begeisterung ergriff alle Stände
und Alter. Wer konnte, eilte zu den Waffen. Die Universitäten lösten
sich auf, weil Studenten und Lehrer zusammen die Waffen ergriffen;
die oberen Klassen der Gymnasien wurden leer; der Landmann verließ
seinen Pflug, der Handwerker seine Werkstatt, der Kaufmaun sein Ge-
schüft, um zur Wehr zu greifen. Der Unterschied der Stände schien
vergessen; denn in den Reihen der Freiwilligen stand der Edelmann
neben dem Bürgersohn, der Gelehrte neben dem Tagelöhner. Von jenen
erhebenden Tagen erzählt E. M. Arndt, der sie mit erlebte:
«Es war nur eine Stimme, ein Gefühl, ein Zorn und eine Liebe: das
Vaterland zu retten. Deutschland zu befreien und den französischen Uebermut ein-
zuschränken. Krieg! rief der Edelmann und Landbesitzer, der verarmt war; Krieg!
der Bauer, der sein letztes Pferd unter Vorspann und Fuhren tot trieb; Krieg!
der Tagelöhner, der keine Arbeit finden konnte; Krieg! die Witwe, die ihren ein-
zigen Sohn ins Feld schickte; Krieg! die Braut, die den Bräutigam zugleich mit
Tränen des Stolzes und des Schmerzes entließ. Jünglinge, die kaum wehrhaft
waren, Männer mit grauen Haaren und wankenden Knieen, Offiziere, die wegen
Wunden und Verstümmlungen ehrenvoll entlassen waren, reiche Gutsbesitzer und
Beamte, Väter zahlreicher Familien und Verwalter weitläufiger Geschäfte, in
Hinsicht jedes Kriegsdienstes entschuldigt, wollten sich selbst nicht entschuldigen: ja
sogar Jungfrauen drängten sich in Männerkleidung zu den Waffen; alle wollten
sich üben, rüsten und für das Vaterland streiten oder sterben. Jede Stadt, jeder
Flecken, jedes Dorf schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in einen
Uebungs- und Waffenplatz verwandelt; jede Feueresse ward eine Waffenschmiede.
Jeder war bereit zu dem Geschäfte und Dienste, zu dem er der brauchbarste war.
Was die Männer so unmittelbar unter den Waffen und für die Waffen taten, das
taten die Frauen durch stille Gebete, brünstige Ermahnungen, fromme Arbeiten,
menschliche Sorgen und Mühe für die Ausziehenden, Kranken und Verwundeten."
Wer nicht ins Feld ziehen konnte, suchte durch Gaben dem Vater-
lande zu helfen. Männer legten Geld und Wertsachen, Frauen ihren
Schmuck, Kinder ihre Sparbüchsen auf dem Altar des Vaterlandes
nieder. Eheleute gaben ihre goldenen Trauringe; 150 000 wurden der
Berliner Münze zugestellt und gegen eiserne vertauscht mit der Inschrift: