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Zutat verbessern zu wollen, was uns noch von altheidnischem Aber¬
glauben, von Sprüchen und Bräuchen, die sich darauf beziehen, überkom¬
men ist, dafür hat die geschichtliche Forschung fast ausschließlich den
Bauern zu danken. In Zeitläufte, zu denen keine Geschichtsschreibung
mehr hinaufreicht, ragt nur noch die dunkle Runde, die uns die Bauern
bewahrt haben. Je älter die Zagen sind, desto mehr wird der For¬
scher auf die Dörfer getrieben . . .
wie ein allzu zäher Charakter in verderblichen Eigensinn um¬
schlägt, das zeigt uns die auf dem Lande herrschende Prozeßkrämerei.
Dem „prozesser" ist sein Rechtsstreit eine Ehrensache, die er oft aus
reinem Eigensinn durchführt, obgleich er am ersten Tage schon weiß,
daß nichts für ihn dabei herauskommen wird. Der echte Proze߬
krämer — und ganze Gegenden sind mit dieser Landplage behaftet —
fängt oft einen Rechtsstreit an, bloß um seinem Gegner zu beweisen,
daß er gescheiter und in den Rechten bewanderter sei als jener. Er würde
es für ebenso feig halten, davor zurückzuschrecken, daß die prozeßkosten
voraussichtlich den wert des strittigen Gegenstandes weit übersteigen
werden, als der Duellant sich wegen der Nichtigkeit des Rnlasses vor
Tod und Wunden scheut. Es ist also nicht zu verkennen, daß neben
dem Eigensinn und der Hartköpfigkeit der Bauern dieser prozeßkrä-
merei oft auch ein merkwürdiger Ehrgeiz nach dem Ruhme unbesieg¬
barer Rechtsweisheit zugrunde liegt. Das Recht erscheint ihm wiederum
als Zitte, und es ist sein Ztolz, jeder Sitte kundig zu sein. hierin liegt
ein bedeutungsvoller Fingerzeig für die Gesetzgeber, die sich aber
selten um das lebendige Rechtsgefühl der Lauern bekümmert haben.
Nirgends haben die religiösen Gegensätze tiefere Wurzeln geschla¬
gen als beim Bauersmann. Ruch die Religion ist bei ihm nicht Lehre,
sondern Zitte. Zie hat alle seine Gewohnheiten eigentümlich gefärbt,'
das Glaubensbekenntnis klingt bis zu seinen Festen, seinen Liedern
und Sprüchen durch, es gibt sich selbst im Rocke kund, wie ja der echte
Bauer in protestantischen Gegenden das einfarbige dunkle Rleid, in
katholischen das hellere und buntere vorzieht.
Mit dem zähen Beharren des Bauern hängt ein mächtiges Selbst¬
gefühl zusammen, ein stolzes Bewußtsein seines gesellschaftlichen wer¬
tes. Der unverfälschte Bauer schämt sich nicht, ein Bauer zu sein,
es liegt ihm im Gegenteil viel näher, jeden andern, der nicht den Kittel
trägt, zu unterschätzen. Rn einigen Grten herrscht der Brauch, daß das
Landvolk an gewissen Festtagen seine Heiligenbilder mit Bauernkleidern
schmückt. Der Bauernrock ist dem Bauern das kostbarste Ztaatskleid,
selbst für einen heiligen. . .
Der deutsche Bauer hat bekanntlich ein gutes Stück Mutterwitz