Die Babylonier und Assyrer.
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im Norden Semiten (bie späteren Babylonier unb Assyrer), im Süden
bie nichtsemitischen Snmerier.1) Durch den Fleiß und die Begabung
dieser Völkerschaften gelangten die Euphrat- und Tigrisgebiete zu einer
außerordentlichen Kulturblüte. Großartige Wasseranlagen der-
banden die Ströme des Landes und bewirkten in Verbindung mit dem
warmen Klima eine Fruchtbarkeit, die wir uns in den heute vernach-
lässigten Gegenden nur schwer mehr vorstellen können. Vollendete In-
dustrieerzeugnisse, wollene und leinene Prunkgewänder, Prachtteppiche,
kostbare Salben und Spezereien gingen westwärts in die Mittelmeer-
landet, ostwärts bis nach Indien. Aus der trefflichen Tonerde brannten
bie Babylonier schön bemaltes Porzellan unb aus ihrer guten Lehm-
erbe feste Ziegel, bie sie mit verschiebenfarbiger Glasur überzogen
unb mit Mörtel aus Erbpech verbanben. — Nach und nach entstanden
größere Städte, so am Euphrat Babylon und am Tigris A s s u r, später
nördlich davon Ninive (ebenfalls am Tigris). Babylon war jahrtausende-
lang die wichtigste Stadt Vorderasiens; als Weltwunders galten seine
Hängenden Gärten, d. h. terrassenförmige Anlagen mit fünft*
lichem Unterbau.
Kunst und Wissenschaft.
Die Bildende Kunst, von den Priestern gepflegt und den Königen
begünstigt, diente der Verherrlichung der Religion und des Königtums.
Die Reste ber babylonischen Tempeltürme, bie in mehreren Terrassen stufen¬
förmig ausstiegen, erwecken noch heute Bewunderung. Weltberühmt war z. B.
der Babylonische Turm, ein Riesentempel, in 8 Stockwerken errichtet,
bie sich pyramidenförmig nach oben verjüngten unb auf ber obersten Plattform
eine Sternwarte trugen. Daneben bauten sowohl bie babylonischen als
bie assyrischen Könige stattliche Paläste mit weiten Hallen. Schöne Skulpturen
schmückten biefe Baubenkmäler; halberhabene Reliefs stellten bie Taten der
Herrscher, hauptsächlich Kriegs- unb Jagbszenen, bar. Besonders gefiel sich bie
Phantasie ber assyrischen Künstler in der Darstellung von geflügelten Stier¬
oder Löwenkolosfen mit Menschenhäuptern,
Die Dichtkunst. Von der Poesie der Babylonier sind uns lyrische
und epische Dichtungen erhalten. Das Drama fehlt vollständig.
Eine auf 7 Tafeln erhaltene Schöpsungssage berührt sich in manchen
Stücken mit dem mosaischen Berichte; sie schildert den Kamps des Sonnengottes
Marduk mit dem Chaos' und nach seinem Siege die Erschaffung der Welt. Das
1) Im Laufe des 2. Jahrtausends gingen die Sumerier allmählich in der femiti-
fchert Rasse auf. Ein ähnlicher Verfchmelzuugsprozeß vollzog sich etwa 1000 Jahre später
zwischen den Babyloniern und Aramäern, bzw. Chaldiiern.
2) Zu den „Sieben Weltwundern" des Altertums zählten außer den Hängenden
Gärten noch: 1. die Pyramiden in Ägypten, 2. der Artemistempel zu Ephesus, 3. die
Zeusstatue zu Olympia, 4. das Grabmal des Maufölus (Mausoleum) zu Halikarnaß,
5. der Koloß zu Rhodus. und 6. der Leuchtturm auf der Insel Pharus bei Alexandria.