Full text: Geschichte des Mittelalters bis zum Westfälischen Frieden (H. 2)

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Heldensagen. 
dringen in den Saal — und noch einmal erhebt sich das Kamvfgetöse in furchtbarer Wut: 
da fällt Dankwart, Hagens Bruder; Hildebrands Schwert macht den fröhlichen Fiedler 
auf immer stumm; der Gote Wolfhart und Giselher der Junge sinken sterbend nieder: 
beide haben sich gegenseitig den grimmen Tod angetan. Des Freundes Fall zu rächen, 
dringt Hagen auf Hildebrand ein, „daß man wohl vernahm Balmnngen dröhnen". 
Scharf schneidet das Schwert durch die Pauzernnge: mit einer „starken Wunde" ent- 
flieht Hildebrand; alle Gotenritter liegen im Saal erschlagen. Laut beklagt Dietrich 
der Gefallenen Tod: 
„Das ist aller Freuden nun der letzte Tag. 
O weh, daß vor Leide niemand doch ersterben mag!" 
7. Wie Gunter, Hagen und Kriemhild erschlagen werden. Nun legt der Ge¬ 
waltige selber den Harnisch an und zieht in den Kampf. Von den Burgundern findet 
er nur noch Gunter und Hagen am Leben. Er rät ihnen, sich ihm als Geiseln zu 
ergeben, dann wolle er sie sicher in die Heimat bringen. 
„Das verhüte Gott im Himmel." sprach Hagen entgegen, 
„daß sich dir ergeben sollten zwei Degen, 
die noch in voller Wehre dir gegenüberstehn. 
Das wär' uns Unehre: die Feigheit soll nicht geschehn." 
Im Zweikampf überwindet Dietrich die ermatteten Helden. Gebunden führt er 
sie zu Kriemhild und bittet sie, das Leben der Gefangenen zu schonen. Dann ent- 
fernt er sich trüben Mutes. 
Kriemhild aber will Rache. Sie begehrt von Hagen den Nibelungenhort zurück, 
dann will sie ihm das Leben schenken. Hagen aber entgegnet: „Keiner soll erfahren, 
wo der Schatz verborgen liegt, solange noch einer meiner Herren am Leben ist — 
das Hab' ich geschworen." Da läßt die entmenschte Schwester ihrem Bruder Guuter 
das Haupt abschlagen und trägt es zu Hagen. Doch dieser kennt kein Todesgrauen; 
in grimmigem Hohn ruft er: 
„Nun ist von Bnrgunden der edle König tot, 
Giselher der junge, dazu Herr Gernot. 
Den Hort weiß nun niemand als Gott und ich allein: 
der soll dir Teufelsweibe immer wohl verhohlen sein." 
Kriemhild erblickt an des Helden Seite Balmnng, Siegfrieds Schwert. Sie reißt 
es aus der Scheide und schlägt mit eigner Hand dem Mörder ihres Gemahls das 
Haupt ab. Hildebrand aber, der das Ritterwort seines Herrn verachtet sieht, trifft mit 
schnellem Schwertschlag die Frevlerin, daß sie in ihrem Blute an der Leiche ihres Tod- 
feindes zusammenbricht. — Dietrich und Etzel können nur noch die Helden beklagen, 
die vor ihren Augen in den Tod gesunken sind. (Hebbel: Die Nibelungen.) 
2. Gudrun. 
1. Wie Hilde Königin der Friesen wird. Hilde, die Tochter des Königs Hagen 
von Irland, ward in allen Landen wegen ihrer Schönheit gepriesen. Da sandte 
König Hettel in Friesland seine Mannen Wate und Frute und den Dänenfürsten 
Horand aus, um die schöne Hilde für sich als Braut zu gewinnen. Nun konnte zu 
der Zeit keiner auf dem Erdenrund so lieblich singen wie Horand. Wenn er seine 
Stimme erschallen ließ, so verstummten die Vögel im Walde, die Würmer, die im 
Grase krochen, hielten mite, die Fische im Meere hörten aus zu schwimmen und 
lauschten. Die Menschen aber lenkte er durch seine Töne wie mit Zaubergewalt. So
	        
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