Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

206 
Erhebung 1813. 
der Landwehr den Kreisen volle Gelegenheit giebt, ihre Hingabe in 
dem eigenen Bezirk zu bethätigen. 
3. Die einzelnen blieben nicht zurück. Wer nicht selbst ins Feld 
zog oder einen seiner Familie ausrüsten half, der suchte durch Gaben 
dem Vaterlande zu helfen. Beamte verzichten auf einen Teil ihres 
Gehalts, Leute von mäßigem Wohlstand geben einen Teil ihres 
Vermögens, Reiche senden ihr Silbergeschirr, Ärmere bringen ihre 
silbernen Löffel, wer kein Geld zu opfern hat, bietet von seinen 
Habseligkeiten, seiner Arbeit. Gewöhnlich wird es, daß Gatten ihre 
goldenen Trauringe — sicher oft das einzige Gold, das im Hause 
war — einsenden (sie erhielten dafür zuletzt eiserne mit dem Bilde 
der Königin Luise zurück); Landleute schenken Pferde, Gutsbesitzer 
Getreide, Kinder schütten Sparbüchsen aus. Da kommen 100 Paar 
Strümpfe, 400 Ellen Hemdenleinwand, Stücke Tuch, viele Paar neue 
Stiefel, Büchsen, Hirschfänger, Säbel, Pistolen. Ein Förster kann 
sich nicht entschließen, seine gute Büchse wegzugeben, wie er in lustiger 
Gesellschaft versprochen hat, und geht daher lieber selbst ins Feld. 
Junge Frauen senden ihren Brautschmuck ein, Bräute die Halsbänder, 
die sie von den Geliebten erhalten. Ein armes Mädchen, der ihr 
schönes Haar gelobt worden war, schneidet es ab zum Verkauf an 
den Friseur, patriotische Spekulation verfertigt daraus Ringe, wofür 
mehr als 100 Thaler gelöst werden. Was das arme Volk aufbringen 
kann, wird eingesendet mit der größten Opferfreudigkeit gerade von 
den kleinen Leuten. 
4. Nicht selten hat der Deutsche seither zu patriotischem Zweck 
beigesteuert. Aber die Gaben des großen Jahres verdienen wohl 
ein höheres Lob. Denn wenn man von jenen Sammlungen 
der alten Pietisten für ihre menschenfreundlichen Institute absieht, 
ist es zum erstenmal, daß ein deutsches Volk in solcher Opferlust auf— 
lodert, und überhaupt zum erstenmal, daß dem Deutschen die Freude 
wird, für seinen Staat freiwillig hinzugeben. 
Auch die Summen, die damals aufgebracht wurden, würden zu— 
sammengenommen alles, was seither aus weiteren Landstrichen zu— 
sammengeschossen wurde, so weit übersteigen, daß sie kaum verglichen 
werden dürfen. Allein die Ausrüstung der freiwilligen Jäger und 
was für die Freischaren in den alten Provinzen gesammelt wurde, 
muß weit über eine Million Thaler gekostet haben. Und sie begreift 
nur einen kleinen Bruchteil der freiwilligen Gaben und Einsendungen, 
welche das Volk brachte. Und wie war das kleine Volk verarmt! ... 
Aber unendlich größer als die freiwilligen Leistungen war der 
Gewinn, welcher für die Regierung Preußens daraus hervorging, 
daß sie jetzt erst erfuhr, was sie einem solchen Volke als Pflicht zu—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.