Full text: Lehrbuch der Geographie für die mittleren und oberen Klassen höherer Bildungsanstalten sowie zum Selbststudium

§. 55. Bevölkerungsverhältnisse. 133 
im Jahre 1519 das Land betrat, war das Reich der Azteken, was den 
Umfang und die unbeschränkte Macht des Herrschers anbetrifft, ganz den 
morgenländischen Despotien der alten Geschichte vergleichbar. Die sehr 
zahlreiche Bevölkerung des Landes war im Besitz einer Hieroglyphen- 
schrist und zeigte viel Geschick für Bildhauerei, Malerei und mechanische 
Künste. Besonders eifrig wurde Acker- und Gartenbau betrieben (hier 
die ersten botanischen Gärten). Aeußerst hindernd war aber die Unbe¬ 
kanntschaft mit dem Eisen. Das Volk zerfiel in scharf getrennte Stände. 
In ihrem Götterdienst sprach sich ein wunderliches Gemisch sanfter 
Züge, die sich an die Verehrung des Quetzalcoatl anschlossen, den 
die Tolteken für den Gründer ihrer Cultur hielten, und der scheußlichsten 
Barbarei aus, welche zahlreiche Menschenopfer, dem aztekifchen Kriegs¬ 
gotte Huitzil opochtli dargebracht und mit greuelvoller Menschen¬ 
fresserei verbunden, im Gefolge hatte. — Ein zweites Culturvolk waren 
die Muyscas auf der Hochebene von Bogota, standen aber sowohl 
den Mexicanern als den Peruanern weit nach. — Die Cultur der 
letzteren scheint ihre Heimat am Titicacasee bei dem Volke der A i m a- 
ras gehabt zu haben. Diese wurden von den Quichua, die mau 
nach dem Namen der Herrscherfamilie auch wohl Jucas nennt, unter¬ 
worfen. Der erste Jnca, später für einen Sohn der Sonne gehalten, 
hieß Manco Cap ac. Die Peruaner verehrten einen unsichtbaren 
Schöpfer der Welt Pachacamac unter freiem Himmel. Als fein sicht¬ 
barer Stellvertreter galt die Sonne, welcher große Tempel geweiht waren. 
Das sehr genau geordnete Staatswesen bot eine Erscheinung dar, die 
einzig in der Geschichte dasteht. Alles Land war im Besitz des Staates 
und zerfiel der Nutznießung nach in drei große Theile: Sonnenland, 
von dessen Ertrage die Tempel erbaut wurden und die Priester ihren 
Unterhalt zogen; Incaland für Hofstaat und Regierung; der dritte Tbeil 
war dem Volke zur Benutzung gegeben und in so viel Ackerloose getheilt, 
als Familien da waren. So war kein geborner armer im Lande und 
Müssiggang wurde schwer bestraft! Die Bergleute, Metallschmelzer, Hand¬ 
werker arbeiteten nur für deu Staat, waren also gewissermaßen Beamte; 
der gemeine Mann sorgte für seine Bedürfnisse rücksichtlich der Wohnung, 
Kleidung u. s. w. selbst. Diese Staatseinrichtung auch über die Nach¬ 
barvölker auszubreiten, galt als religiöse Pflicht, und so wurden förm¬ 
liche Völkerwanderungen angeordnet, um die neu unterworfenen Völker 
in die Mitte solcher Stämme zu verpflanzen, welche die peruanische 
Cultur schon angenommen hatten. Die Gemeinsamkeit alles Eigen¬ 
thums machte es leicht, große Staatsarbeiten, z. B. ausgedehnte Be¬ 
wässerungsanlagen im regenlosen Küsten lande, oder große Heerstraßen 
herzustellen. 
Zu den barbarischen Nationen zählen wir zuerst im hohen Norden 
die Eskimos, in Grönland und Labrador nicht ohue Erfolg dem 
Christenthums zugeführt. Schon ihr Körperbau, aber auch ihre Sprache, 
weist auf einen innigen Zusammenhang mit den Völkern des nordöst¬ 
lichen Sibiriens, namentlich den Tschuktschen, hin. Ferner die in 
vielfache Stämme getheilten, in beständigem Krieg mit einander lebenden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.