16 Marbod und Armin.
Marbod und Armin.
Cherusker- Tiberius rechnete richtig, wenn er die Germanen ihrer eigenen Zwie-
bund. trncht überlassen wollte Bald nach dem Abzüge der Römer brach
nämlich der erste Bruderkrieg in unserer Geschichte aus. Zur Zeit als
sich Armin in Nordwestdeutschland bemühte, einen Bund mehrerer Völker-
ich asten zu stiften, für dessen Fortdauer er auch nach Vertreibung der
Römer thätig war, hatte sich im Südosten eine zweite größere Ver-
Markomannen- einigung unter den Germanen gebildet, deren Kern die Markomannen
reic^- waren. Marbod, ebenso wie Armin in Rom erzogen, hatte dieses sein
Volk um Christi Geburt vom südwestlichen Deutschland nach Böhmen
geführt und hier durch Unterwerfung der umwohnenden Völkerschaften
eine mächtige Herrschaft gestiftet, deren Erhaltung und Ausbreituug seine
hauptsächlichste Sorge war. Darum hütete er sich auch, das mächtige
Rom zu reizen, dessen Einrichtungen er sogar möglichst nachahmte, in-
dem er nach dem Muster des römischen Imperiums eine Königsgewalt
errichtete, wie sie bisher unter Germanen unerhört gewesen, und sich
mit einer stehenden Leibwache (von Keulenträgern) umgab. Um weder
seine südlichen Nachbarn, die Römer, zu reizen, noch auch Armin zu
mächtig werden zu lassen, nahm er an dem Freiheitskampfe des letzteren
gegen Rom nicht teil, ja er schickte sogar den ihm von Armin über-
sandten Kopf des Varns an Angustus. Freilich gewann er hiedurch
auch die Freundschaft Roms nicht, wie sich bald zeigte. Als nämlich
die Langobarden und Semnonen sich von der drückenden Herrschaft
Märbods ab- und dem freieren Bunde unter Armin zuwandten, kam es
zwischen den zwei größten Machthabers im damaligen Deutschland zum
Krieg Armins Kriege. Marbod rückte seinem Feinde ans Böhmen nach Norden ent¬
gegen Marbod. gCgen und lieferte ihm eilte Schlacht, die auf beiden Seiten nach römischer
Taktik geleitet wurde, aber unentschieden blieb. Als jedoch Marbod,
statt den Kampf zu erneuern, eine Bewegung nach rückwärts machte,
gingen so viele von den Seinen zu Armin über, daß er sich nach Böhmen
zurückziehen mußte. Jetzt erhob sich, wahrscheinlich von den Römern
Marbods ermutigt, ein gotischer Fürst namens Katnalda (Katwald), den Marbod
Sturz. früher vertrieben hatte, gegen ihn. Er rückte in Böhmen ein, gewann
die Häuptlinge der Markomannen, welche das druckende Regiment Mar-
bods nur ungern ertrugen, und nötigte diesen, bei den Römern Schutz
zu suchen (19 n. Chr.). Kaiser .Tiberius wies ihm Ravenna zum Auf-
enthalt an, wo er noch achtzehn ruhmlose Jahre verlebte.
Armins Unter- Auch Armins Herrschaft ging bald darauf zu Grunde.^ Neidische
3an9 Verwandte beschuldigten ihn des Strebens nach der Königswürde und
bewirkten seine hinterlistige Ermordung 22 n. Chr. Der Bund, dessen
Oberhaupt er gewesen, löste sich auf, die Cherusker, die er zur mächtigsten
Völkerschaft in Germanien gemacht, sanken in Bedeutungslosigkeit zurück.
Von Armin sagt Taeitns in seinen Jahrbüchern: „Unstreitig ist er der
Befreier Germaniens, der nicht die Anfänge des römischen Volkes, wie
andere Könige und Feldherrn, sondern das Reich in voller Blüte be-
kämpft hat, in den Schlachten des Erfolges nicht sicher, int Kriege
unbesiegt". Nachdem sein Andenken, das nach dem Berichte des Taeitns
von den Germanen in Liedern verherrlicht wurde, während der Völker-