Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit

Die Völkerwanderung 375—568. 19 
itrtd drangen einerseits bis Ephesus, dessen berühmten Artemistempel 
sie verbrannten, andrerseits bis Athen vor. Bald breiteten sie sich vom 
Don bis zur unteren Donau aus, wo ihnen Kaiser Aurelian (270) die 
einst von Trajan eroberte Provinz Dacien überließ. Um die Mitte des 
vierten Jahrhunderts gründeten sie unter König Ermanrik (Hermanrich) 
ein mächtiges Reich, das sich vom schwarzen bis zum baltischen Meere er- 
streckte, aber schon um 370 in ein Reich^e^OftMteu in Südrußland und 
.eines der Westgoten in Rumänien und dem östlichen Ungarn spaltete. 
Diese^Wfert nahmen von allen Germanen zuerst das Christentum 
an; ein westgotischer Bischof Wulfila (= Wölflein) übersetzte um 350 Wulstla. 
t>ie Bibel in die Sprache seiner Landsleute und schuf so das älteste 
Schriftwerk der deutscheu und der germanischen Literatur überhaupt. Ein 
Bruchstück davon wird noch auf der Universitätsbibliothek zu Upsala in 
Schweden aufbewahrt. 
B. Das Mittelalter 375—jsoo. 
I. Germanische Völker- und deutsche Sfamnt- 
geschichte 375-800. 
Beginn der Völkerwanderung 375—568. 
Im Jahre 375 n. Chr. brachen plötzlich von Osten über die Wolga Hunnen, 
her die Hunnen in Europa ein. Es war dies ein nomadisierendes 
'Reitervolk mongolischer Herkunft, das durch sein fremdartiges Aussehen 
wie seine barbarischen Lebensgewohnheiten unter Germanen und Römern 
allenthalben Schrecken verbreitete. Sie werden uns geschildert als klein 
von Gestalt, aber von kräftigem Körperbau, schmutziggelber Hautfarbe, 
schwarzem, straff herabhängendem Haupthaar, geringem Bartwuchs, mit 
schmalgeschlitzten, etwas schief gestellten, kleinen, dunkelblitzenden Augen 
und stark hervortretenden Backenknochen. Das Unschöne dieser Er- 
scheinung wurde noch durch die Sitte vermehrt, daß sie ihren Kindern 
bald nach der Geburt die Wangenhaut durchschnitten und diese Wunden 
in wulstigen Striemen vernarben ließen. Mit ihren kleinen, aber aus- 
dauernden Steppen Pferden wie verwachsen, äußerst geschickt im Gebrauche 
von Bogen und Pfeil, erschienen und verschwanden sie überall mit 
blitzartiger Schnelligkeit, allenthalben Trümmer und Leichenfelder hinter- 
lassend. Allgemein galten sie als räuberisch, grausam und treulos. So 
häßlich und furchtbar erschien den Germanen dieses Volk, daß sie sich 
bald die Sage erzählten, die Hunnen seien Söhne von Hexen und Teufeln. 
Die Hunnen stießen zuerst auf die östlich vom Don wohnenden Ostgoten. 
Alanen, rissen diese mit sich fort und warfen sich auf das Reich der 
Ostgoten, deren König Ermanrik ^) an einer Wunde darniederlag und 
sich (tote berichtet wird, schon 110 Jahre alt) aus Verzweiflung in sein 
*) Hermanrich gehört zu den Gestalten der deutschen Heldensage. 
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