Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit

81. Die erste Theilung Polens. 
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wurden verhaftet und nach Sibirien geführt, worauf der russische Ge¬ 
sandte Repnin einer Commission des Reichstages eine Bestimmung über 
die Rechte der Dissidenten dictirte. 
Das verletzte polnische Nationalgefühl verband sich nur noch stärker 
mit dem Religionseifer und es bildete sich gegen die Gewaltherrschaft 
der Russen eine Conföderation zu Bar in Podolien. Aber die Ueber- 
macht der Russen zerstreute die Consöderirten und verfolgte sie auf 
türkisches Gebiet, wobei eine kleine türkische Stadt (Balta) in Flammen 
aufging. Daher erklärten die Türken voreilig den Krieg an Rußland 
(October 1768). Ihre Heere wurden in der Moldau und Walachei 
und ihre Flotte in den Gewässern des griechischen und schwarzen Meeres 
so nachdrücklich geschlagen, daß sie einen schimpflichen Frieden erwarteten. 
Oesterreich sah nicht ohne große Unruhe die Fortschritte Rußlands, 
und dem Könige von Preußen fiel die Entrichtung von 480,000 Thlr. 
jährlicher Hülssgelder, die er nun an die Kaiserin vertragsmäßig zahlen 
mußte, um so härter, weil sein eigenes Land ihrer bedurfte und ihm 
keiner von allen Bortheilen zu Gute kam, die auf seine Kosten errungen 
wurden. In solcher Verlegenheit öffnete sich ihm, eben so unerwartet 
als willkommen, ein Weg zu einer Annäherung an Oesterreich. Joseph II. 
selbst, seit 1765 deutscher Kaiser, hatte dem Könige im August 1769 
zu Neiße einen Besuch abgestattet und Friedrich freute sich, diesen 
im Herbst des folgenden Jahres im Lustlager, das bei Neustadt in 
Mähren stand, zu erwiedern. Als hier viel und bitter von Katharina's 
ehrgeizigen Absichten gesprochen ward und Kaunitz den König zu einem 
Bündniß gegen sie aufforderte, traf unoermuthet ein Eilbote mit An¬ 
trägen aus Constantinvpel ein. Die Pforte wünschte, beide Höfe möchten 
sich bei der Czarin für einen billigen Frieden verwenden. Der preu¬ 
ßische Monarch schrieb noch von Neustadt aus an die Kaiserin selbst. 
Diese, obgleich im Herzen der Einmischung Oesterreichs abhold, wich 
endlich doch der Vorstellung, der Großherr dürfte, im Fall hartnäckiger 
Weigerung, leicht das noch verhaßtere Frankreich anrufen. 
Während man so in Berlin und Petersburg unterhandelte, hatten 
die unruhigen Polen die Grenze ihrer Nachbarn überschwärmt und 
waren unter andern in die ungarische Gespannschaft Zips, von der ein 
Theil seit 1412 an die polnische Krone verpfändet war, vorgedrungen. 
Auch die Preußen erfuhren ähnliche Verletzungen und gaben die erlittenen 
mehr denn einfach zurück. Das letztere war besonders der Fall, als 
die Pest von Jassy aus sich drohend verbreitete und beide Mächte in 
Polen einrückten. Im December besetzten die Oesterreicher den pol¬ 
nischen Theil der Zipser Gespannschaft, 13 Marktflecken und 275 Dörfer, 
von deren frühern Verbindung mit Ungarn nur noch modernde Urkunden 
zeugten, das Gedächtniß der Menschen nichts mehr wußte. 
Eben damals war Prinz Heinrich, des Königs Bruder, in Peters¬ 
burg. Sobald hier kund ward, welche Schritte die sonst gewissenhafte 
Maria Theresia sich erlaubt habe, äußerte Katharina in einer Unter¬ 
redung mit diesem ihre Empfindlichkeit über Eingriffe der fremden
	        
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