Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit

52 Karls Reichsverwaltung und Sorge für die Kultur. 
sieben zur Abhaltung eines Gerichtes genüge. Immerhin ist dies noch 
das alte deutsche Volksgericht. Aber dies war unterdessen königlich ge- 
worden. Während nämlich in der ältesten oorköniglichen Zeit ein Edeling 
Vorsitz und Leitung des ganzen Gerichtsverfahrens wie die Sorge der 
Urteilsvollstreckung hatte, gehörte dies Amt nunmehr und zwar schon 
seit den Merowingern theoretisch dem König, der es durch seine Beamten,, 
die Grafen, ausüben ließ. 
Einteilung und Aber der Graf war nicht bloß Inhaber des Königsbannes 2) im 
Gericht, sondern auch Verwaltungsbeamter. Das weite Reich Karls d. Gr. 
6 war nämlich wie schon zu Merowingerzeiten in lauter kleine Verwaltuugs- 
bezirke, sog. Gaue2) geteilt. An der Spitze eines jeden stand ein G r a f,3) 
ein ein- und absetzbarer Beamter des Königs; er hatte im Kriegsfall 
den Heerbann seines Gaues aufzubieten und dem König zuzuführen, 
war der Vorsitzende Leiter des Gerichtes, das er im Namen des 
Königs „hegte", hatte für Aufrechterhaltung der Sicherheit (also 
auch Polizeibeamter) sowie sür Beitreibung der Einkünfte und Ge- 
fälle (mithin auch Finanzbeamter) zu sorgen. Die von fürstlicher Würde 
umkleidete herzogliche Gewalt hatte Karl, wo er sie noch vorfand (in 
Bayern und Aquitanien), da sie der königlichen Gewalt immer gefährlich 
war, bei gegebener Gelegenheit (Empörung ihrer Inhaber) abgeschafft 
und an ihrer Stelle das Grafentum mit der Gaueinteilung eingeführt, 
so daß zwischen ihm, dem König, und den Unterthanen schließlich kein 
Fürst, sondern nur absetzbare Beamte in Mitte stunden, die schon wegen 
des geringen Umsanges ihrer Verwaltungssprengel an Empörung nicht 
wohl denken konnten. Nur an den Grenzen seines Reiches faßte Karl 
mehrere Gane zu einer fog. Mark (Grenzland) zusammen und stellte 
sie unter Verwaltung eines einzigen, des Markgrafen, der vor allem 
die Grenze zu bewachen batte, also über einen größeren und jederzeit 
schlagfertigen Heerbann verfügen mußte. 4) Hatte ein Graf einen Sitz 
an einer königlichen Burg oder Pfalz,5) so hieß er Pfalzgraf. Von 
der Pflichterfüllung aller seiner Beamten suchte sich Karl durch die sog. 
Send grasen oder Königsboten zu überzeugen. Er schickte nämlich all¬ 
jährlich in mehrere Gaue zusammen zwei Aufsichtsbeamte, einen Welt- 
liehen und einen Geistlichen, welche Klagen über die Grafen und andere 
Beamte vom Volke entgegenzunehmen, den Sachverhalt zu untersuchen 
und dem König darüber zu berichten hatten. 
Immunitäten. Diese einheitliche Verwaltung feines weiten Reiches durchbrach Karl 
freilich selbst, wenn er einzelnen Bischöfen und Klöstern fog. Jmmnni- 
M Bann ursprünglich = Gewalt, also Blntbann = Gewalt über Blut, d. i. 
Leib und Leben, Blutgerichtsbarkeit. (Heerbann ursprünglich Gewalt über das Heer, 
dann = Heer selbst.) 
2) Ter ,,@au" im fränkischen Reich entspricht an Größe etwa dem Gebiete einer 
kleineren altgermanischen Völkerschaft und zerfiel wieder in einige (etwa 8—9) 
Hundertschaften oder Gerichtssprengel, in denen bei Verhinderung des Grafen auch der 
fog. Schultheiß, der oberste des Schöffenkollegiums, über Bagatellsachen zu Gericht 
sitzen konnte. 
3) Das Wort hat ursprünglich durchaus keine fürstliche Bedeutung. 
*) Die wichtigsten Marken unter Karl d. Gr. waren die bayerische Ostmark 
zwischen Enns und Raab, die bretonische in der Bretagne und die spanische südlich 
der Pyrenäen. 
5) Aus dem lateinischen palatium, woher auch palas (franz. palais) und Palast.
	        
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