Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit

60 Konrad I. und das Stammesherzogtum. 
Konrad I. 911—918 und das Stammesherzogtum. 
Nach dem Tode Ludwigs des Kindes erklärte der westfräukifche 
Karolinger Karl der Einfältige, ein Erbrecht ans Deutschland zn haben, 
da er aber einerseits zu schwach war, seine Ansprüche geltend zumachen, 
Deutschland andrerseits eines kräftigen Oberhanptes bedurfte, so traten 
die Großen (in Förch heim) zu einer Wahl zusammen und riefen, da das 
Reich sich doch noch fränkisch nannte und der damalige Herzog von 
Franken, Konrad'), mütterlicherseits mit den Karolingern verwandt war, 
diesen zum König aus. Konrad I , der 911—918 regierte, war kein 
untüchtiger Mann, aber er verstand seine Zeit nicht. Er strebte darnach, 
das Königtum wieder zur alleinigen Macht im Reich zu erheben, wie es 
zu Zeiten Karls des Großen gewesen, aber er verkannte ganz die da- 
malige Bedeutung der Herzogtümer, die er abzuschaffen suchte. Denn 
wenn Karl d. Gr. die ihm widerspenstigen Herzoge absetzte, so über- 
nahm er dafür auch selbst den Schutz des Gebietes, das so unmittelbar- 
unter die Krone kam: als das Köttigtum jedoch unter dem letzten Nach- 
kommen Karls in Deutschland ohnmächtig geworden, war es naturgemäß, 
daß die einzelnen Stämme selbst für ihre Verteidigung sorgten und zu 
diesem Zweck Herzoge (d. i. Heerführer) wählten, deren Stellung somit 
durchaus eine innere Berechtigung hatte. Da nun Konrad I. dieses neu 
aufgekommene Herzogtum beseitigen wollte, ohne daß doch seine Macht 
dazu ausreichte, stürzte er sich und das Reich nur in aussichtslose innere 
Kämpfe, während von außen her die alten Feinde, Ungarn, Slaven und 
Normannen, über die Grenze fielen, und bewirkte das Gegenteil von dem, 
was er bezweckte: die königliche Gewalt verlor an Einfluß und Beliebt- 
heit, während die herzogliche sich überall so sehr befestigte, daß bei 
. _ Konrads Tod die völlige Auflösung des Reiches in fünf kleine Stammes- 
Die deutschen reiche zu befürchten war. Diese Herzogtümer, die sich seit Ludwig dem 
h^zogtümer. ®inb bildeten, waren: 
1. das Herzogtum Bayern im Südosten des Reichs um den 
Chiemsee, vom Fichtelgebirge bis nicht ganz nach Trient, vom 
Lech bis zur Raab (seit 907 nur bis zur Enns); 
2. das Herzogtum Schwaben oder Alemannien im Südwesten 
des Reichs um den Bodensee, vom mittleren Neckar bis zum 
St. Gotthard, vou den Bogesen bis zum Lech; 
3. das Herzogtum Franken (mit Hessen) um den Main, vom 
mittleren Neckar bis zum Franken- und Thüringerwald und dem 
Zusammfluß der Werra und Fulda, vom Fichtelgebirge bis über 
die Nahe; 
4. das Herzogtum Lothringen um Mosel und Maas, zwischen 
Vogesen und Argonnen, Rhein und Schelde einerseits, von der 
Quelle der Mosel bis zur Mündung der Maas andererseits; 
5. das Herzogtum Sachsen (mit Thüringen) um die Weser, vom 
Thüringerwald und Zusammenfluß der Werra und Fulda bis 
zur Nordsee, von der Elbe bis nicht ganz an den Rhein und 
zur Yssel. 
') Altdeutsch Kuonrat =■= kühner Rat(geber).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.