Zeitalter der Reformation und der Gegenreformation. 11
wirkten ihre Rechtsanschauungen, besonders ihre Gewohnheit, Ver-
brechen mit Geld oder Geldeswert zu sühnen, auch auf die Kirche Ablaß,
ein. Diese nahm die Zahlung einer Summe zu eiuem frommen
Zweck unter die guten Werke auf, welche nach würdigem Empfang
der Sakramente der Buße und des Altares bei wahrer Reue über
die begangenen Sünden als weitere Bedingung gefordert werden
konnten zur Gewinnung eines Ablaffes, d. h. des Nachlasses der
zeitlichen Sündenstrafen. Über die Finanzpolitik der Kurie
waren seit Walther von der Vogel weide Klagen laut
geworden. Gegen Ende des Mittelalters richteten sie sich auch gegen
Ausschreibung von Ablässen an sich oder gegen die Art, wie die-
selben gepredigt oder die hiednrch eingegangenen Gelder verwendet
würden.
I. Zeitalter der Reformation und der Gegenreformation
1517—1648.
Die Ansänge der Reformation 1517—1520.
Da die Basilika des hl. Petrus aus der rechten Tiberseite
in Rom gegen 1500 baufällig geworden war, ließ sie Papst
Julius II. abtragen und einen Prachtbau in dem neuen Stil
der Renaissance errichten. Um die Mittel zur Weiterführung dieses
gewaltigen Werkes auszubringen, schrieb Papst Leo X. einen Ablaß
aus. An der Art, wie diesen der Dominikaner Johann Tetzel
.predigte, uahm der Augustiuermöuch Dr. Martin Luther Anstoß Tetzel.
und schlug deshalb 1517 an der Schloßkirche zu Wittenberg
95 Thesen an, die sich vornehmlich mit dem Wesen des Ablasses
befaßten.
Lnther war als der Sohn eines Bergmannes aus Thüringen Luther.
1483 zu Eisleben geboren. In harter Zucht und unter manchen
Entbehrungen aufgewachsen, sollte er nach dem Wunsche seines
Vaters die Rechtswissenschaften studieren und bezog zu diesem Zwecke
die Universität Ersurt. Aber schwere Seelenkämpfe trieben
ihn zum Eintritt in das dortige Augustinerkloster (1505).
Drei Jahre später empfahl ihn fein Ordensprovinzial Staupitz
dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen von Sachsen für das Lehramt
der Philosophie an der nenerrichteten Universität Wittenberg,
wozu er bald auch theologische Vorlesungen sowie die Seelsorge
übernahm; rasch wurde er der einflußreichste Prediger in
Wittenberg. Einige Jahre später (1511) unternahm er in
Ordensangelegenheiten eine Reise nach Rom.
Als Tetzel 1517 in die Nähe von Wittenberg kam und Wittenberg
Luther erfuhr, daß die Kommissäre mehr auf Geld als auf die 1517-
Befsernng der Massen bedacht seien, verössentlichte er die
95 Thesen, wodurch er sich nach mittelalterlicher Gelehrtensitte bereit