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Die Zeit des Deutschen Reiches.
Walde, wandte aber auch jetzt noch allen nationalen Fragen als scharfer
Beobachter und Kritiker seine Teilnahme zu. Während der folgenden Jahre
wallfahrteten aus allen deutschen Stämmen Scharen von Verehrern nach
dem schlichten Herrensitz in der Nordmark, um dem Manne, der die deutsche
Einheit mit starker Hand geschmiedet, zu huldigen und zu danken. Im
1898. Sommer 1898 starb der „eiserne" Kanzler; unter den Baumkronen des
Sachsenwaldes hat er seine Ruhestätte gefunden. Zahlreiche Denkmäler
und Türme (Bismarcktürme) erheben sich ihm zu Ehren in deutschen
Landen. — Sieben Jahre früher war Moltke, der „Schlachtendenker",
heimgegangen. Bis zum letzten Tage hatte er, obwohl neunzigjährig, in
soldatischer Treue seine Pflichten erfüllt. — Bismarcks Nachfolger im Amte
waren: General v. Caprivi, Fürst v. Hohenlohe-Schillingsfürst, 1900
bis 1909 Fürst von Bülow, seit 1909 v. Bethmann Hollweg.
In den Beziehungen zum Aus lande hat das Deutsche Reich seine
machtvolle Stellung bewahrt. Der Dreibund steht unerschüttert da; den
greisen Franz Joseph von Österreich ehrt unser Kaiser wie einen väterlichen
Freund. Der Zweibund zwischen Frankreich und Rußland, das Bündnis
Englands mit Japan haben an dem friedlichen Verhältnis der Großmächte
zueinander nichts geändert. Möge es unserm Volke auch ferner vergönnt
sein, unter der kraftvollen, sicheren Leitung Wilhelms II. seine heiligsten
Güter zu wahren und zu mehren!
4. Autzerdeutsche Ereignisse zur Zeit Wilhelms II.
1. Englands Weltmacht und der Burenkrieg. Seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts hat England seinen Kolonialbesitz außerordentlich
ausgedehnt. Es vollendete die Unterwerfung Britisch-Jndiens und
ordnete die Verwaltung, an deren Spitze ein Vizekönig steht. Die
Königin Viktoria nahm den Titel „Kaiserin von Indien" an. Der
1869. kürzeste Weg nach Indien ging seit 1869 durch den von dem Franzosen
Lesseps erbauten Sueskanal. Mithin mußten das östliche Mittelmeer und
das nordöstliche Afrika für England erhöhte Bedeutung gewinnen. Nach
dem Russisch-Türkischen Kriege von 1877—1878 ließ es sich deshalb von
der Türkei, für die es so kräftig eingetreten war, Cypern abtreten, so daß
es nun drei Stützpunkte für seine Mittelmeerflotte hatte. Zugleich wurde
1882. Aden in Arabien zu einem starken Kriegshafen ausgebaut. 1882 besetzte
es Ägypten, und der Khedive (Vizekönig) des Landes steht von da an
nur noch dem Namen nach unter türkischer, in Wirklichkeit unter englischer
Hoheit. Von Ägypten aus eroberte England den ägyptischen Sudan.
Dann kam Britisch-Ostafrika hinzu, dessen Grenzen durch ein Abkommen
mit Deutschland zur Zeit Caprivis festgelegt wurden (Helgoland).
In Südafrika standen der Ausdehnung des englischen Besitzes die
Republiken der Buren im Wege. Die Buren (Bauern) waren holländischer